Borzaya

Filmplakat: Borzaya

FBW-Pressetext

In einem Geschäft aus Geben und Nehmen wird die Hilfe zur Flucht an der Grenze Europas zum Spiel ums Überleben. Ein Zahnrad greift in das andere und bedingt die Existenz des Nächsten. In den ukrainischen Karpaten lebt Sylwia mit ihrer Familie. Der Forstbetrieb der Familie kämpft um seine Existenz gegen gewaltbereite westliche Großkonzerne. Der einzige Ausweg ist kurzfristiges Geld, welches Sylwia mit dem Schleusen von Geflüchteten über die EU-Außengrenze verdienen könnte. Eindrucksvoll schildet Simon Schneckenburger, wie Leid immer nur noch größeres Leid bedingt. Gänzlich aus der Perspektive Sylwias zeigt und erzählt BORZAYA, dass nicht alle Handlungen von Schleppern aus reiner Profitgier geschehen. Er zeigt aber auch, dass dieses gefährliche Unterfangen Leben aufs Spiel setzt. Und das tagtäglich. In fast unerträglich klaustrophobischen Aufnahmen testet Sylwia den Kofferraum als Ort des vermeintlichen Übergangs in die Freiheit und zahlt dies nahezu mit dem eigenen Leben. Eine tödliche Spirale entsteht, die dem Zuschauenden beim Betrachten der Handlung buchstäblich den Atem stocken lässt. Dieser studentische Kurzfilm erzählt von verzweifelten Entscheidungen, vom Ausgeliefertsein und von Hilflosigkeit auf allen Seiten. Und ist dabei bis zum letzten gezeigten Atemzug beeindruckend intensiv inszeniert.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Simon Schneckenburger
Darsteller:Natalia Lange, Harry Schäfer, Maciek Zera, Linda Ghandour
Drehbuch:Mathis Van den Berg; Simon Schneckenburger
Kamera:Nico Schrenk
Schnitt:Lukas Wengorz
Musik:Timo Klabunde
Länge:19 Minuten
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH
Förderer:Filmakademie Baden-Württemberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Eine quirlige junge Frau ist die 17-jährige Sylwia, die nicht umsonst den Spitz- und Kosenamen „Windhund“ bekommen hatte. Zusammen mit ihrem Bruder Michal kämpft sie mit dem von ihren Eltern ererbten kleinen Forst- und Sägebetrieb ums Überleben in den Karpaten der Westukraine gegen die übermächtige Konkurrenz aus dem europäischen Ausland. Eine bestimmte Geldsumme fehlt zur Bezahlung der drängendsten Schulden. Diese erhofft sich Sylwia von ihrem Onkel Bogdan, dem Besitzer einer kleinen Autowerkstatt in der Nähe. Als Gegenleistung soll sie, versteckt unter dem Boden des Kofferraumes von Bogdans Auto, den Beweis dafür erbringen, dass auch eine mehrstündige Fahrt in diesem Verlies ohne Luftzufuhr möglich ist. Bei dem Versuch erstickt Sylwia nahezu und bringt in den Kofferraumboden einige kleine Luftlöcher ein. So beginnt Bogdan seine erste Fahrt als Schleuser einer in der Ukraine gestrandeten Flüchtlingsfrau über die Grenze nach Polen. Sylvia hatte die Frau schon zuvor bei einem Gang durch den Wald an einem See gesehen und Foltermale auf ihrem Rücken bemerkt. Eindrucksvoll bewegend ist diese kurze Begegnung zwischen Angst und Mitgefühl, wortlos und nur mit einfühlsamen Blicken schön inszeniert. So sind Sylwia bei der Abfahrt von Bogdan schon deutliche Anzeichen von Zweifel zu erkennen, ob die Frau diese gefahrvolle Reise überstehen wird. In der langen Wartezeit bis zur Rückkehr Bogdans fällt Sylwia in einen Alptraum. Die Sorge um die Flüchtlingsfrau und die Sorge um die eigene Existenz lassen dabei für sie Bilder entstehen, in der sie sich in einer unheilvollen und zerstörten Waldlandschaft umherirren sieht. Der Einfallsreichtum der Kamera für Bild- und Lichtgestaltung für diese eindrucksvolle Traumsequenz verdient ein besonderes Lob, wie aber auch beim gesamten Film. Simon Schneckenburger inszenierte sehr sicher dieses Filmdrama um den Überlebenskampf zweier Frauen und die Ausweglosigkeit ihres Handelns. Sparsam, genau beobachtend, mit schlichter Farbtönung und unter Vermeidung jeglicher Klischees, gelang ihm ein eindrucksvolles Filmwerk. Und das Ende des Films geht unter die Haut jeden Zuschauers: Immer noch im Zweifel über den gelungenen Ausgang der Fluchtfahrt hält Sylwia das ersehnte Geld von Bogdan in der Hand. Als sie ihren Bruder voller Freude mit ihrem Handy informiert, geht ihr Blick auf den roten Schal der Frau aus dem Wald und eine Schaufel die neben Bogdans Auto liegen. Der lange Blick auf ihr Gesicht, auf ihre Augen, voller Entsetzen, bleibt unvergleichlich eindrucksvoll.

Die Jury der FBW entschied sich für die Vergabe des Prädikates BESONDERS WERTVOLL.