Border Conversations

Filmplakat: Border Conversations

FBW-Pressetext

Im Angesicht einer Flüchtlingswelle sperren Polen und Belarus im November 2021 alle Grenzübergänge. Für Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht wird das Grenzgebiet so zur lebensbedrohlichen Falle. Viele sind mitten im Winter in den Wäldern vor den Toren der EU in einem Niemandsland gefangen. Jonathan Brunner begleitet Menschen in dieser Grenzregion, allerdings auf der polnischen Seite, wo Aktivist:innen versuchen, die humanitäre Katastrophe durch Hilfsangebote abzumildern. BORDER CONVERSATIONS zeigt die Hilflosigkeit der polnischen Aktivist:innen schnörkellos und beeindruckend emotionsgeladen. Immer ein Smartphone in der Hand und in direktem Kontakt mit Hilfsbedürftigen sortieren sie Kleidung, Nahrung und Medizin, fahren ziellos die Grenze auf und ab und campieren vor schierer Verzweiflung stundenlang in Raststätten. Solange die Migrant:innen es nicht über die Grenze schaffen, ist ihr Schicksal fast aussichtslos. Hinzu kommt, dass manche schon nicht mehr an das Menschliche glauben und von Misstrauen zersetzt lieber ihren Aufenthaltsort verschweigen, als Gefahr zu laufen, von Behörden mit falschen Hilfsangeboten hinters Licht geführt zu werden. So werden die im Film eingeblendeten Textnachrichten zu bedrückenden Geschichten, die mehr als einmal mit einem vielsagenden Schweigen von den Menschen im Niemandsland abrupt enden. So nah und doch so fern zeigt dieser außergewöhnliche Dokumentarfilm, dass Grenzzäune und Patrouillen Leid und Unheil auf beiden Seiten schaffen, aber Menschlichkeit nie den Weg versperrt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Jonathan Brunner
Drehbuch:Jonathan Brunner
Kamera:Marie Scholjegerdes
Schnitt:Samuel Albert
Musik:Frederic Hellmann
Länge:29 Minuten
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH
Förderer:Filmakademie Baden-Württemberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Dokumentarfilm zeigt die Arbeit von Frauen einer NGO in Polen, die 2021 Migranten helfen, aus der berüchtigten Sperrzone an der Grenze zu Belarus herauszufinden. Damals waren bekanntermaßen auch Todesopfer zu beklagen. Das Außergewöhnliche und Bestürzende der dargestellten Tätigkeit von Karolina, Kornelia, Gosia und Kasia besteht darin, dass sie die Menschen nie zu Gesicht bekommen. Die meisten hängen in der mehrere Kilometer breiten Sperrzone zwischen Polen und Belarus fest. Mit dem Smartphone versuchen sie, die Standorte der Hilfsbedürftigen herauszufinden, um ihnen helfen zu können. Doch zu den meisten bricht der Kontakt plötzlich ab und es ist ungewiss, was aus ihnen geworden ist.

Der Titel des an der Filmakademie Baden-Württemberg in der Regie von Jonathan Brunner entstandenen Dokumentarfilms ist mehrdeutig. Es geht um die Gespräche mit den Migranten an der polnischen Grenze und es geht um die Grenzen der emotionalen Belastbarkeit der vier Frauen. Mit schwarzem Humor versuchen sie den Stress abzubauen, nur um kurze Zeit später dann doch in Tränen auszubrechen, weil der Kontakt zu den Hilfsbedürftigen komplett verloren gegangen ist. Zunächst sind es zwei Männer mit einem 16-jährigen Jungen, dann zwei Brüder aus Syrien und schließlich eine Mutter mit ihrem Baby, die irgendwo in der Kälte des dunklen Waldes auf ihre Rettung warten, die aber nicht gelingen will.

Dies alles zeigt der Film in einfühlsamen, dunklen und zugleich präzisen Bildern. Dazu ist er sehr nahe dran, versucht alles einzufangen, was möglich ist, blendet die SMS-Kommunikation ins Bild ein. Die Kamera ist auch in Momenten der größten Hoffnungslosigkeit präsent, wirkt aber nie aufdringlich. Aufregend und zugleich bestürzend ist das dokumentarische Konzept, wenn das Publikum etwas nicht zu sehen, ja, nicht mal zu hören bekommt, wir sehen die Sperrzone nicht, wir vermuten sie nur jenseits der Straße, im finsteren Wald. Die bedrohten Menschen sind lediglich am Ende des Films kurz in einem Handyfilm zu sehen, wenn sie auf dem Gebiet von Belarus über die Grenze schauen, wo sich ein riesiges Polizeiaufgebot versammelt hat. Die dezent eingesetzte Musik und der Ton unterstreichen durch leichte Verfremdungen die subjektiven Wahrnehmungen und tragen zu einer Dokumentation bei, die die bestürzenden Vorgänge in der Sperrzone zwischen Polen und Belarus überzeugend zur Darstellung bringt. Die Jury sah darin eine „besonders wertvolle“ Leistung und zeichnet den Film gerne mit dem höchsten Prädikat aus.