Filmplakat: Bigger Than Life

FBW-Pressetext

Im Jahr 2008 beschloss die damalige Regierung für Skopje, die Hauptstadt Mazedoniens, eine Neugestaltung des Stadtbildes. Bis zum Jahr 2014 wurde eine Vielzahl an Monumenten und historisierenden Gebäuden errichtet. Das mazedonische Verfassungsgericht erklärte die Baumaßnahmen für illegal, die Regierung widerrief dieses Urteil und ließ weiterbauen. Seitdem hagelt es Kritik. Von innen und von außen. Doch der Plan wird weiter verfolgt: Skopje soll im Glanz der Historie erstrahlen. Wenn es auch nicht die eigene ist. Ganz nach dem Zitat des Kunsttheoretikers Johann Joachim Winkelmann: „Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten“. Mit diesem Zitat beginnt Adnon Softic seinen essayistischen Kurzfilm BIGGER THAN LIFE – und setzt damit auch die Stimmung für den gesamten Film. Softic verbindet Bilder der absoluten und fast schon gottesgleichen Erhabenheit des Stadtbildes und entlarvt die Absurdität dahinter. Denn bei aller oberflächlichen Planung steckt doch hinter dem ganzen Putz keine Seele und keine wahre Geschichte. Und wenn am Ende die Motten in das übergrelle Licht der Künstlerbrücke fliegen und dort qualvoll verenden, dann muss kein Kommentar auf der Tonebene mehr verdeutlichen, was der Filmemacher mit seinen Aufnahmen, deren Länge genau richtig sind, um über ihre Bedeutung zu reflektieren, sagen will. Ein filmisches Essay mit großer Reflexion und Aussagekraft.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Musikfilm; Experimentalfilm; Kurzfilm; Essayfilm
Regie:Adnan Softić
Darsteller:Alexey Liosha Kokhanov; Pauline Jakob
Drehbuch:Adnan Softić
Kamera:Helena Wittmann; Adnan Softic
Schnitt:Nina Softic
Musik:Daniel Dominguez Teruel; Adnan Softić
Länge:29 Minuten
Produktion: Adnan Softic
Förderer:FFHSH

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Adnan Softic liefert in BIGGER THAN LIFE ein essayistisches Manifest in Bezug auf die Frage, die bei den verschiedensten Nationalisten Europas untergründig oft mitschwingt: der Frage nach dem antiken Erbe, und insbesondere danach, welcher Teil davon für die Gegenwart und die Behauptung einer Eigenständigkeit und lang zurückreichender Tradition genutzt werden kann.
Softic mixt in seinem Film Ton und Bild in experimenteller Form und setzt sich so auf ironische und zugleich polemische Weise mit den Stadtbauplänen des heutigen Skopje in Mazedonien auseinander. Dort wird für sehr viel Geld ein neues Stadtzentrum gebaut, das "antik" aussehen und damit das heutige Mazedonien direkt an das griechische Kulturerbe anschließen soll. Softic versucht nun in seinem Film das Inszenatorische, Theaterhafte dieser städtebaulichen Maskierung herauszuarbeiten und darzulegen, um was es sich handelt: um willentliche Überschreibung der tatsächlichen Geschichte der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik im Dienste einer - vermeintlich – besseren. Dazu verfremdet der Regisseur unseren Blick aufs antike Erbe mit verschiedenen Methoden. Mal lässt er bekannte Texte als Arien singen und blendet dazu scheinbar bedeutungslose Naturaufnahmen ein, mal platziert er die Kamera zwischen den Gipsfassaden des neuen Skopje so, dass deren Künstlichkeit und Banalität unmittelbar ins Auge fällt. Wobei es dem Regisseur darauf anzukommen scheint, nicht nur die Strategien einer falschen Historisierung anzuprangern, sondern auch die Haltung dahinter, den Machtanspruch, die Diskursgewalt, ein Stück weit der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Jury zeigte sich vor allem dadurch beeindruckt, wie Softic sowohl auf der Tonebene, mit Musik und den Texten, als auch im Bildlichen, mit den präzise kardierten Blicken auf die Stadt, neue Gestaltungswege beschreitet.