Ballon

Kinostart: 27.09.18
VÖ-Datum: 14.03.19
2018
Filmplakat: Ballon

FBW-Pressetext

BALLON von Michael Bully Herbig erzählt die wahre Geschichte der Familien Strelzyk und Wetzel, die im Jahr 1979 mit einem selbst gebauten Heißluftballon die Flucht aus der DDR in den Westen wagen.

Familie Strelzyk will in die Freiheit. Eine Freiheit, die es in ihrer Heimat nicht gibt. Denn 1979 ist die DDR noch weit entfernt von der Wiedervereinigung. Also plant die Familie die Flucht bei Nacht, in einem mit Freunden selbst gebauten Ballon. Kurz vor der Grenze jedoch stürzt der Ballon ab. Die Strelzyks versuchen ihre Spuren so gut es geht zu verwischen – und wollen es gegen jede Vernunft noch einmal versuchen. Doch der ermittelnde Oberstleutnant Seidel ist ihnen immer dichter auf der Spur. Der neue Film von Michael Bully Herbig arbeitet die wahre Geschichte der Familien Strelzyk und Wetzel, denen das scheinbar Unmögliche gelang, als spannendes Thrillerdrama filmisch auf. Bis zuletzt fiebert man mit den Familien mit, deren individuelle Sorgen und Probleme allesamt deutlich werden. Ob die Sorge der Mutter, die ihre Heimat schon jetzt vermisst, oder aber des ältesten Sohnes, der sich gerade in die Nachbarstochter verliebt, mit ihr aber nicht über seine Pläne reden darf, oder des Vaters, der weiß, dass er mit der riskanten Aktion auch das Leben der Menschen riskiert, die er über alles liebt: Herbig und seine Co-Drehbuchautoren Kit Hopkins und Thilo Röscheisen verleihen jeder Figur individuelle Tiefe und lassen sie gleichzeitig als in sich geschlossene Einheit, die, komme was wolle, zusammenhält, auftreten. Glaubhaft verkörpert durch das gesamte Ensemble, allen voran Friedrich Mücke als Peter, Karoline Schuch als Doris und Thomas Kretschmann, der den Stasi-Oberstleutnant mit einer grandiosen Mischung aus kühler Berechnung und entschlossener Besessenheit spielt. Das Katz- und Maus-Spiel zwischen der Familie Strelzyk und dem Ermittler Seidel inszeniert Herbig einem Krimi gleich und gerade gegen Ende mit atemloser Spannung. Die Musik unterstützt die Dramatik der Situation perfekt, das Setting, die Ausstattung und die Kostüme lassen keinen Zweifel am hohen Rechercheaufwand und der Liebe zum Detail. Das System der DDR selbst wird gezeigt mit all seinen Repressalien, doch findet Herbig auch feine nuancierte Zwischentöne für die Haltung der Bürger zu ihrer Heimat. Das macht BALLON zu einem hochspannenden, auf den Punkt inszenierten und differenzierten Film über den scheinbar unerfüllbaren Wunsch nach Freiheit – der doch in Erfüllung ging.

Filminfos

Gattung:Drama; Thriller; Spielfilm
Regie:Michael Bully Herbig
Darsteller:Friedrich Mücke; Karoline Schuch; David Kross; Alicia von Rittberg; Thomas Kretschmann; Jonas Holdenrieder; Tilman Döbler; Ronald Kukulies; Emily Kusche; Christian Näthe; Till Patz; Ben Teichmann
Drehbuch:Michael Bully Herbig; Kit Hopkins; Thilo Röscheisen
Kamera:Torsten Breuer
Schnitt:Alexander Dittner
Musik:Ralf Wengenmayr
Länge:117 Minuten
Kinostart:27.09.2018
VÖ-Datum:14.03.2019
Verleih:Studiocanal
Produktion: herbX film, StudioCanal; SevenPictures Film;
FSK:12
Förderer:FFA; MBB; FFF Bayern; MDM

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der historische Paranoia- und Fluchtthriller BALLON von Michael Bully Herbig, zuvor vor allem bekannt für seine Genreparodien und Komödien, ist die filmisch intensive Aufarbeitung eines spektakulären Ereignisses aus der deutschen Geschichte Ende der 1970er Jahre. Der Film beginnt mit einer schonungslosen Kontrastmontage, in der die parteikonforme Idylle einer FDJ-Rede bei der Jugendweihe parallel montiert wird mit der Realität von Erschießungen an der innerdeutschen Grenze. Deutlicher können Ideal und Wirklichkeit kaum differieren.
Mit akribischer Rekonstruktion der Topographie und Atmosphäre um 1979 führt der Film nicht nur in das bürgerliche Milieu der Thüringer Protagonisten ein, sondern liefert auch zahlreiche Motive für die lebensgefährliche Flucht: Im Sommer 1979 fassen die Familien Strelzyk und Wetzel einen waghalsigen Plan: Sie möchten mit einem selbstgebauten Heißluftballon aus der DDR in den Westen fliehen. Allerdings entscheidet sich Günter Wetzel im letzten Moment gegen die Flucht. Er fürchtet, dass der Ballon zu klein ist, um beide Familien zu tragen. Zu viert startet Familie Strelzyk in das dramatische Abenteuer, doch aufgrund von Kondenswasser sinkt der Ballon kurz vor der Grenze. Die Familie kehrt vorerst zurück, doch es gelingt Strezyk schließlich, alle zu überreden, noch einmal zu starten, auch wenn ihnen die Stasi und Grenzschutz bereits dicht auf den Fersen sind.
Ballon fällt zunächst durch die hervorragende Besetzung auf, die große Ähnlichkeit zu den historischen Vorbildern aufweist, wie die Fotos im Abspann zeigen. Die bekannte und etwas vorhersehbare Handlung wird durch kleine Nuancen der Charakterzeichnungen in diesem differenzierten Spiel immer wieder aufgewertet.
Als Thriller ist der Film souverän auf den Effekt hin inszeniert und scheut nie vor Melodramatik zurück, vor allem durch ein Wall-to-Wall-Sounddesign, das mit elektronischen und klassisch orchestralen Mitteln die emotionale Disposition erfolgreich diktiert – man könnte das als „überdeterminiert“ kritisieren, es ist jedoch im Genrerahmen souverän und effektiv. Diese konventionelle Tendenz wird in der differenzierten Charakterzeichnung und in der mehrfach codierten Anlage aufgehoben, durch die der Film für unterschiedliche Altersgruppen gleichermaßen interessant erscheint. BALLON ist daher gut geeignet, einem jungen Publikum die dunklen Seiten der DDR-Diktatur zu vermitteln. Thomas Kretschmann als Stasi-Mann verkörpert diese totalitäre Logik mit einer subtilen Grausamkeit, die mit seinem Auftreten immer wieder in undurchschaubaren Befragungen und Verhören deutlich wird. Er verkörpert die innere Logik des menschenverachtenden Systems. Die deutlich negative Darstellung der Diktatur und ihrer Repräsentanten ist generisch gerechtfertigt, wurde aber intensiv in der Jury diskutiert.
BALLON wurde letztlich als ein dramaturgisch dichter und in den Details subtil inszenierter Thriller gewürdigt, der vor allem in seiner langen Schlusssequenz von hoher dramatischer Spannung ist: Mit dynamischer Kamera und einer packenden Parallelmontage zieht er die Spannungsschraube mitreißend an, was ihn auch von dem ungleich konventionelleren amerikanischen Film MIT DEM WIND NACH WESTEN von 1982 unterscheidet.
BALLON funktioniert als packender Genrefilm und als Geschichtsaufarbeitung gleichermaßen und zeigt auf eindrucksvolle Weise das Talent aller Beteiligten.