FBW-Pressetext

Minigolf. Ein sehr beliebter Sport. Auch und vor allem in Deutschland. Die Anlagen dazu existierten seit 1954. In jenem Jahr wurde in Ascona in Italien die erste Bahn eröffnet, heute gibt es noch immer unzählige davon. In seinem Kurzdokumentarfilm ASCONA besucht Regisseur Julius Dommer ein Paar, das in Norddeutschland in Bad Oldesloe einen Minigolfplatz betreibt. Dommer lässt das Ehepaar über ihre gemeinsame Geschichte sprechen, über ihre Beziehung zum Minigolf und zueinander. Doch das alles geschieht im Off. Denn mit seinen Bildern, in die immer wieder auch historische Fotografien einmontiert werden, zeigt der Film viel mehr. Die Großaufnahmen von verschiedenen Minigolfbällen, das akkurate Kärchern der Bahnen, der Süßigkeiteneimer im engräumigen Kiosk, die kleinen Schreibblöcke mit dem noch kleineren Bleistift an einer Schnur, Steaks, Würstchen und Kartoffelsalat beim Vereinsgolfen am Wochenende – das alles sind Miniaturaufnahmen und Milieustudien des Traditionellen und Urdeutschen, die mit liebevollem Augenzwinkern an die Erinnerung von so vielen anknüpfen. ASCONA ist mit seinem sehr genauen Blick für Details und einem exakten Timing ein lakonischer und doch warmherziger Film über das Deutschsein.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Julius Dommer
Drehbuch:Julius Dommer
Kamera:Julius Dommer
Schnitt:Rita Schwarze; Julius Dommer
Webseite:juliusdommer.com;
Länge:15 Minuten
Produktion: Kunsthochschule für Medien Köln
Förderer:Kunsthochschule für Medien Köln

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ein Minigolfplatz in Bad Oldesloe, Schleswig-Holstein. Ein Ort wie aus der Zeit gefallen. Es scheint, als habe sich hier seit Jahrzehnten nichts verändert. Den Konservatismus der 1950er Jahre reflektierend, berichten die Protagonisten mit norddeutsch trockenem Humor vom Minigolf zwischen Freizeitspaß und Spitzensport und von den Anfängen ihres Platzes. Ein Porträt, das als Gesellschaftsanalyse funktioniert.

Julius Dommers ASCONA ist einer jener kleinen Dokumentarfilme, der genau hinschaut und ein ganzes Universum entdeckt. Der Minigolfplatz von Karla und Wolfgang Burmester in Bad Oldesloe ist ein völlig unspektakulärer Ort, wie es Hunderte andere in Deutschland gibt. Hier scheint die Zeit seit den 1950er bzw. 1960er Jahren, als Minigolf aufkam und sich zum beliebten Freizeitsport entwickelte, stehen geblieben zu sein. Wahrscheinlich hat jede und jeder Kindheitserinnerungen an einen solchen Platz und eine diffuse Sehnsucht nach Kaffee, Kuchen, Süßigkeiten, wie sie im dortigen Kiosk angeboten werden.

Aber Minigolf ist mehr: es ist auch Vereinssport mit einer Bundesliga, Landes- und Europameisterschaften. Ein Sport, der ohne Förderung und Fernsehübertragungen auskommt, getragen von Vereinsmitgliedern, die ehrenamtlich in ihrer Freizeit Turniere organisieren, Plätze unterhalten. Einem solchen Verein, dem Miniaturgolfclub (MGC) Bad Oldesloe, wollte Karla Burmester eine Heimat geben, als die gebürtige Berlinerin 1968 einen Kredit aufnahm, den Platz kaufte, die Bahnen in Ordnung brachte. Große Turniere wurden hier gespielt, Meisterschaften und Bundesliga Partien. „Aber das können sich heute nur noch Arbeitslose und Studierende leisten“, meint Karla Burmester, zumal man in Norddeutschland sowieso klimatisch benachteiligt sei. Sie weiß, wovon sie spricht, hat sie doch selbst jahrelang Wettkämpfe bestritten, war Landes- und Vize-Europameisterin. Aus ihrem privaten Archiv stammen die vielen Fotos, die Höhepunkte des Vereinslebens und ihrer eigenen Karriere zeigen. In schönem Kontrast dazu stehen ihre lakonischen Off-Kommentare zu ihrem Werdegang und zur Entwicklung der Sportart, bei der die Damen zur Europameisterschaft 1966 erstmals Hosen tragen durften. Karla und ihr Mann Wolfgang sagen kein Wort zu viel, aber jedes aus tiefster Überzeugung, auch zu der Tatsache, dass eine Ehe, in der die Frau 17 Jahre älter ist als der Mann, so wie es bei ihnen der Fall ist, bis heute keine Selbstverständlichkeit ist und von vielen Menschen missbilligt wird.

Aber Julius Dommer verlässt sich in seinem Diplomfilm nicht nur auf seine überzeugenden Protagonist*innen, sondern beobachtet das Treiben auf dem Minigolfplatz mit großer Sympathie und Umsicht: Das Wischen und Kärchern der Bahn, bevor der Betrieb losgeht, die Familien und Jugendgruppen am Wochenende, die Landesmeisterschaften mit Vereinsmannschaften aus allen Teilen Schleswig-Holsteins. Dabei bewegt sich die Kamera mit großer Leichtigkeit über den Platz, beobachtet das bunte Treiben mal von der Terrasse aus, mal ist sie mittendrin. Und wie beiläufig entdeckt sie allerhand Details: Plaketten, die von den Höhepunkten des Vereinslebens zeugen, die Vielfalt des Materials von Schlägern, Greifern, Bällen, die bunten Trikots. Dabei setzt der ursprünglich auf 16mm gedrehte Film nicht nur farbige Akzente im norddeutschen Nieselregen, sondern lässt Textur und Beschaffenheit der unterschiedlichen Bälle spürbar werden. Man beginnt zu ahnen, mit welchem Bedacht der richtige Ball für die entsprechende Bahn gewählt werden muss.

All die einzelnen Elemente sind durch gelungenen Schnitt und stimmiges Sound-Design zusammengefügt zu dem liebe- und respektvollen Porträt eines Paares, das seinen Lebensinhalt gefunden hat und andere daran partizipieren lässt, und darüber hinaus zu einer Hommage auf all die Menschen und Vereine in den sogenannten „Randsportarten“, die ihren ganz speziellen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten.