Filmplakat: AIVA

FBW-Pressetext

Wer sagt uns eigentlich, was Kunst ist? Männer natürlich! Denn Kunst liegt bekanntlich im Auge des Betrachters und der ist nun mal sehr oft ein Mann. Wer sonst könnte Kunst besser verstehen oder gar erschaffen? Das gilt natürlich auch für den Künstler selbst. Das Missverhältnis zwischen den Geschlechtern lässt sich im Grunde nur auf eine Weise auflösen: Durch die Installation einer weiblichen Künstlichen Intelligenz AIVA. Erschaffen, wie soll es anders sein, von männlichen Programmierern. Endlich erhält Kunst so die weibliche Perspektive, die ihr stets fehlte. Veneta Androva gießt ihren Film in eine satirische Reportage, die AIVA exklusiv auf ihrem Schaffensprozess begleitet und lüftet so den Vorhang, der die Wahrhaftigkeit der Kunst bisher verdeckt hat. Schwarzhumorig und ironisch kritisiert AIVA mit jedem gesprochenen Wort den Kunstmarkt und parodiert damit meisterhaft alle Klischees, die an ein Aktmodel, Geschlechtsmerkmalen, die der Schwerkraft trotzen oder eine Phallus-behaftete Vernissage zu stellen wären. Dabei sticht die außerordentliche Symbiose aus satirischem Inhalt und puppenhafter 3D-Animationsform besonders heraus und erhebt diesen Kurzfilm zu einer Überaffirmation auf all seinen Ebenen. Der natürlich ebenfalls männliche Kunstkritiker würde sagen: „Intensiv, bewegend, gar schon visionär!“ Wer sich in der Nähe von Kunst befindet und Rotwein trinkt, sollte dabei diesen Kurzfilm schauen.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Veneta Androva
Drehbuch:Veneta Androva
Schnitt:Veneta Androva
Musik:Nadia D’Aló; Benedikt Frey
Webseite:venetaandrova.com;
Länge:13 Minuten
Produktion: Veneta Androva
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Steht die Revolution des Kunstmarktes unmittelbar bevor? Braucht es für die Erschaffung von Kunstwerken überhaupt noch den Menschen oder reicht dafür nicht beispielsweise auch eine künstliche Intelligenz, eine AI? Längst haben solche Fragen, die letztlich die Fragestellung nach der Einzigartigkeit des Menschen, der Authentizität und der Urheberschaft aufrollen, den Marsch durch die Institutionen angetreten. AI Art-Generatoren wie DALL-E 2, JASPER ART und NightCafe sowie etliche andere Tools verschieben gerade die Grenzen zwischen menschlicher und künstlich erzeigter Imagination massiv und revolutionieren den Kunstbetrieb. In ihrem computeranimierten Kurzfilm AIVA geht Veneta Adrova solchen Fragen nach und treibt sie lust- und humorvoll auf die Spitze.

Im Mittelpunkt des Films, der mit seinem permanenten Voice-Over fast schon wie ein Imagefilm für ein auf AI spezialisiertes Software-Unternehmen daherkommt, steht eine (natürlich von Männern) programmierte und überaus attraktive (zumindest nach männlichen Maßstäben) künstliche Intelligenz, die als weiblich gelesen werden kann, und deren Siegeszug durch die Kunstwelt.

Dabei bedient sich der Film des Mittels der Überaffirmation: Im „begeisterten“ Tonfall einer vom eigenen Tun überzeugten Marketing-Leiterin prasseln im Off-Kommentar Plattitüden und Kunst-Allgemeinplätze auf das Publikum nieder, die das Können und die Leistung der Software-Architekten (sic!) Über den grünen Klee loben und dabei selbst gar nicht merken, an wie vielen Stellen sich die Aussagen bzw. wie sehr sich Anspruch und Wirklichkeit schlicht widersprechen: Wenn künstliche Intelligenzen wie AIVA mehr Diversität und andere Perspektiven in den Kunstbetrieb bringen sollen, wieso ist die virtuelle Künstlerin dann ein Produkt, an dem nur Männer beteiligt waren? Was soll der demonstrativ über dem Busen angebrachte Farbfleck, der doch wieder nur der Aufmerksamkeitssteuerung einer mutmaßlich überwiegend männlichen Kundschaft dient? Auf wessen Urheberschaft gehen die durch Aiva entstandenen Kunstwerke dann zurück - oder anders gefragt; Dienen Experimente wie diese nicht lediglich der Gewinnmaximierung, wird hier nicht Geld generiert, das dann in ungewissen Kanälen versickert?

Formal wie inhaltlich passt in Veneta Androvas ebenso faszinierendem wie schwarzhumorigem Diskurs alles zusammen. Einzig durch die Länge ergerben sich nach Meinung der Jury dann doch ein paar Redundanzen, die möglicherweise mit etwas Straffung noch mehr Wirkung hätten entfalten können.

In Abwägung aller Argumente vergibt die Jury gerne das Prädikat WERTVOLL.