Stolz des Ostens

Filmplakat: Stolz des Ostens

FBW-Pressetext

Zwar hat Tobi gewusst, dass seine Mutter ihr Zuhause über die Sommerferien an Feriengäste vermietet. Er ist sowieso den ganzen Tag in seinem Indianerkostüm im Wald und am See auf der Pirsch. Doch jetzt schlafen die fremden Leute aus Berlin auch noch in seinem Zimmer! Wild entschlossen, sein Revier zurückzuerobern, schmiedet Tobi einen Plan. Denn stolze Indianer lassen sich nicht einfach so vertreiben. Schon der Titel dieses spannend erzählten Kurzfilms von dffb-Absolvent Christoph Wermke – basierend auf der gleichnamigen Vorlage von Ralf Rothmann – verrät, dass es hier um viel mehr geht als nur um die Geschichte eines kleinen Jungen. Wie Fremdkörper wirken die „Wessis“ aus Berlin. Vor allem die Frau fühlt sich unwohl in einer Gegend, die nicht gerade gastfreundlich auf Neuankömmlinge reagiert. Sie wird für den Jungen zum Inbegriff all dessen, was er hasst. Und wird zum Opfer seiner perfiden kindlichen Rache. Diese Konstellation eröffnet eine allgemeingültige Aussage über das immer noch angespannte Verhältnis zwischen Ost und West. Wermke erzählt davon ruhig und unaufgeregt, die Dialoge sind reduziert, die Bilder sommerlich warm und dennoch ungeschönt. Die Blicke und kleinen Gesten zwischen den einzelnen Figuren passieren scheinbar nebenbei und sind doch immer bedeutsam und ambivalent. Vor allem Patrick Lorenczat überzeugt als 8jähriger Indianer Tobi, der am Ende ganz stolz und jungenhaft-trotzig seinen Triumph in die Nacht heult. Bittersüß böse und auf den Punkt erzählt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm
Regie:Christoph Wermke
Darsteller:Patrick Lorenczat; Ursula Renneke; Carola Sigg; Sebastian Becker; Michael Schweighöfer; Marie Gruber
Drehbuch:Christoph Wermke
Buchvorlage:Ralf Rothmann
Kamera:Nicolai Wolf
Schnitt:Christoph Wermke; Julia Karg
Länge:26 Minuten
Verleih:DFFB
Produktion: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB), RBB;
Förderer:dffb

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Christoph Wermke gelingt es hier beeindruckend intensiv, eine sommerliche Ferienstimmung in der Brandenburger Provinz einzufangen. Der 8jährige Tobi streift durch die Felder, hilft einem Nachbarn bei den Arbeiten als Imker und langweilt sich ansonsten doch ein wenig. Seine Freunde sind in Urlaub gefahren und die Mutter hat das Haus an eine junge Familie aus Berlin vermietet, sodass er für ein paar Wochen in seinem Indianerzelt und sie in einem alten Wohnwagen hausen. Der Film macht nuanciert und detailreich deutlich, wie sich der kleine Protagonist durch diese Situation gekränkt fühlt. In seinem Kinderzimmer schläft die junge Mutter aus Berlin und zwischen seinen Sachen findet er einen von ihren BHs. Durch kleine Gesten und Blicke wird klar, dass Tobis Mutter und der Feriengast einander anziehend finden, während seine Frau sich sichtlich unwohl fühlt. Bei einem Einkauf im Dorf wird sie von der Verkäuferin dann auch in der Tat mit einer aggressiven Ruppigkeit behandelt. Es wird deutlich, dass hier Spannungen zwischen westdeutschen Städtern und den Brandenburger Dorfbewohner herrschen, aber auch dieser Subtext wird nie überdeutlich ausgestellt, sondern eher beiläufig angedeutet. Im Drehbuch, das auf einer Erzählung von Ralf Rothmann beruht, wird geschickt mit kleinen Requisiten wie den Indianerfedern an Tobis Mütze oder der Dose mit Angelleinen gearbeitet, die der Junge zuerst von dem Nachbarn zugesteckt bekommt und dann auf dem Stuhl beim Wohnwagen seiner Mutter vergisst. Als er zurückkommt, um sie zu holen, erfährt er etwas, das er als Waffe gegen die ungeliebten Eindringlinge nutzen kann, und so lockt er die junge Mutter in eine hinterhältige kleine Falle. Wermke zeigt auch hier, dass er ein ökonomischer und sensibler Erzähler ist, der es nicht nötig hat, ein melodramatisches Finale zu inszenieren, sondern den Film statt dessen mit dem triumphierenden Indianerschrei von Tobi enden lässt. STOLZ DES OSTENS ist ein in sich stimmiger und atmosphärisch reicher Kurzspielfilm, der so poetisch schillert wie sein Titel.