Snow Cake

Kinostart: 02.11.06
2005
Filmplakat: Snow Cake

FBW-Pressetext

Als Berlinale-Eröffnungsfilm ungerecht behandelt, kann die anrührende Geschichte aus der kanadischen Provinz jetzt im Kino ihre Kraft entfalten. Allan Rickman und Sigourney Weaver gehen Oscar-reif in ihren Rollen auf. Alles andere als ein Starvehikel, ist dies ein Film der leisen Töne, der behutsamen Annäherungen, der genauen Inszenierung. Ganz normale, besondere Menschen in einer ganz normalen, besonderen Situation – dieser wundervoll genaue, humane Film hat einen Blick für die kleinen Dinge des Lebens.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Drama
Regie:Marc Evans
Darsteller:Carrie-Anne Moss; Sigourney Weaver; Alan Rickman
Drehbuch:Angela Pell
Länge:112 Minuten
Kinostart:02.11.2006
Verleih:Kinowelt
Produktion: UK Filmcouncil / Telefilm Canada / Fortissimo
FSK:6

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Film besticht durch ein sensationelles Schauspielerensemble und er erzählt eine glaubwürdige Geschichte, bei der man als Zuschauer für das kleinste Mienenspiel, für Blicke und Gesten und Körperhaltungen aufmerksam wird. Klein und ganz alltäglich, aber dabei groß und tief menschlich, korrespondiert dieser Seelenfilm mit der prächtigen Naturkulisse. Die Bilder von Gesichtern und Landschaft sind eindrucksvoll, der Soundtrack gefühlvoll. Dies ist ein Film, den Kinobesucher angenehm nachdenklich, aber nicht resigniert und gut unterhalten verlassen werden.

Was zunächst als vergnügliches Road Movie vor dem Hintergrund der verschneiten kanadischen Provinz beginnt, nimmt durch einen unverschuldeten, fatalen Autounfall einen dramatischen Verlauf. Die Reise führt von der Oberfläche verschneiter Straßen in die Tiefen des Ichs, die bisweilen nicht minder kalt sein können als die faszinierenden Eiskristalle der Schneeflocken, mit denen in diesem Film nicht nur die Kinder spielen. Wenn die unglücklich Betroffenen zusammenrücken und sich einander zuwenden, dann entsteht jene Wärme, die man Menschlichkeit nennt. Einem solchen tief berührenden Prozess wohnt man als das Publikums dieses großartigen Films bei, wenn kalte Seelenlandschaften schmelzen und warmherzige Zuneigung die Regie übernimmt.

„Snow Cake“ ist das herausragende Beispiel einer Geschichte über aufgedrängte, gewollte, gewünschte und verweigerte Kommunikation zwischen Menschen. Vor dem Hintergrund der kanadischen Winterlandschaft entspinnt sich eine Geschichte zwischen Linda und Alex, die als Roadmovie beginnt und an einem Ort endet, von dem der gestrandete Protagonist am liebsten nicht mehr weg will. Durch die Hilfe eines kranken Menschen, dem zu helfen er geblieben war, findet Alex näher zu sich selbst. „Snow Cake“ wird so zu einem flammenden Plädoyer für Toleranz im Zusammenleben mit Mitmenschen - ohne aufdringlich oder moralinsauer den pädagogischen Zeigefinger zu heben.

Durch einen tragischen Verkehrsunfall gerät Alex an die autistische Linda, mit der er einige Tage verbringt, zunächst um sie in ihrer Situation nicht allein zu lassen, dann, weil er ihre Klarheit und Direktheit zu schätzen lernt. Linda ist Autistin, ihre krankheitsbedingte Ichbezogenheit wie auch der Egoismus der Umwelt zwingen ihn, sich auf die unerwartete Situation einzustellen. Und berührender weise hilft ihm das auch selbst, ein Stück weit zur Ruhe und ein gehöriges Stück weit zu sich selber zu kommen.

Alex und Linda verbindet das gleiche Schicksal. Beide haben ihre einzigen (erwachsenen) Kinder bei einem Autounfall verloren. Der Umgang der Autistin Linda, die über den Tod ihrer Tochter Vivien nicht zu weinen vermag, erinnert ihn daran, dass auch er den Tod seines Sohnes noch nicht verarbeitet hat. Bis zur Grenze des Egoismus sind die Personen des Films auf sich selbst gestellt, damit sind sie dem Autismus näher, als sie wahr haben wollen. Im Autismus spiegelt sich gesellschaftliches Verhalten. Klugerweise reflektiert der Film sein Thema und seine filmischen Vorgänger, sei es „Rain Man“ oder „Nell“. Die darstellerische Leistung von Sigourney Weaver ist beeindruckend und unprätentiös, überhaupt stehen die Schauspieler bravourös hinter ihren Figuren zurück. Der Film gerät nicht zu einem wie immer beeindruckenden Darstellervehikel. Was beeindruckt und berührt, das ist die tiefe und wahre Menschlichkeit.