Sjecam se – Amarcord

Filmplakat: Sjecam  se – Amarcord

FBW-Pressetext

Milan Mihajlović ist Maler und lebt seit 45 Jahren in Deutschland. Er entstammt einem entlegenen Bergdorf im Südosten Bosniens. Dorthin kehrt er zurück und begegnet behutsam und kreativ den Erinnerungen, die er als Maler direkt umsetzt. Zwischen zwei Bäumen spannt er eine Leinwand, die unmittelbar an eine Kinoleinwand erinnert. Aber diese im Wind hängende „Wand“ wird bemalt, auf dass sie, wenn „sie mit Gefühl und Farbe beseelt ist, Flügel bekommen kann“. Der Filmemacher Wolf Gaudlitz überlässt in einem kurzweiligen, 19 minütigen Künstlerporträt den Strang der Erzählung bewusst seinem Protagonisten. Mit ruhiger Kamerabewegung und stets präziser Kadrierung, untermalt von gleichermaßen besänftigend wirkender Musik, wird der Betrachter auf zugleich akustische Spurensuche an erste Kindheitserlebnisse aus einer für ihn fast vergessenen Welt geschickt. Zu den Erinnerungen gehört auch der erste Kinobesuch. Nun ist das Kino in der bosnischen Stadt geschlossen. Seit Jahren werden keine Filme mehr angeliefert. Beeindruckend gelingt es Wolf Gaudlitz diese kulturelle und zugleich emotionale Leerstelle der Illusionen aufzuzeigen, die zum Ende dieses poetischen Filmwerkes mit dem schließlich „fliegenden Bild“ von Milan Mihajlović wahrlich nur mehr himmelwärts gefüllt werden kann. Wolf Gaudlitz ist mit SJECAM SE – AMARCORD ein vielseitig stimulierender und im besten Sinne ein fellinesker Künstlerfilm gelungen, der durch ausdrucksstarke Bildkompositionen und seinen charismatischen Protagonisten durchweg überzeugt und dabei den Begriff des alten, analogen Kinos neu aufleben lässt.

Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm
Regie:Wolf Gaudlitz
Darsteller:Milan Mihajlović; Vukan Mihajlović
Kamera:Wolf Gaudlitz
Schnitt:Sebastian Bauer
Musik:Andreas Hofmeir; Vjeran Ježek
Länge:19 Minuten
Produktion: solofilm & Cinemamobile / Wolf Gaudlitz Wolf Gaudlitz

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Film beginnt in der Unschärfe, daraus wird eine Landschaft, behutsam von der Kamera abgetastet, die man als Betrachter förmlich riechen kann. Ein Mann steigt ein Grasdach hinauf in den Himmel, es ist der Maler Milan Mihajlović. Er lebt seit Jahrzehnten in Deutschland und kehrt jetzt in sein Bergdorf in Bosnien zurück. Behutsam nähert er sich mit seinen Mitteln der Vergangenheit. Er spannt eine Leinwand wie ein Segel zwischen die Bäume und beginnt zu malen.
SJECAM SE – AMARCORD („Ich erinnere mich“): Bilder des ersten Kinobesuchs in der Stadt kommen hoch, wo er sich vor dem Flakgeschütz auf der Leinwand geduckt hat und das Kino als „ersterlebtes Wunder“ empfand. Der alte Vorführer zeigt traurig das Kino mit den intakten 35mm Projektoren, das leer steht, weil heute kein Filmmaterial mehr dafür geliefert wird. Langsam entsteht das Bild zwischen den Bäumen, Fragmente der Mauern des Bauernhofes, wo seine Mutter acht Kinder verloren hat, die im Winter geboren wurden. Nur die vier Sommerkinder überlebten.
Wolf Gaudlitz, verantwortlich für Regie und Kamera, hat ein Filmgedicht erschaffen, in dem der Rhythmus der wunderschönen Bilder perfekt mit der dezent eingesetzten Musik harmoniert. Wenn am Ende das Leinwand-Segel in den Himmel steigt und die Kamera auf dem Kopf steht, dann hat „jedes Bild Flügel, das eine Seele hat“. Grandios fand die Jury den Kunstgriff, den Dialog in den Abspann zu ziehen, in dem Mihajlović sehr philosophisch seine Lebenshaltung erläutert.