Filmplakat: Radfahrer

FBW-Pressetext

Anders als ein Ausstellungsbesuch bietet diese filmische Collage einen bewegten Einblick in die Arbeit des DDR-Fotografen Harald Hauswald. Statt eines Audioguide-Erklärungstextes werden zu den Fotografien Auszüge aus den Stasi-Akten zur Überwachung des Fotografen mit dem Decknamen Radfahrer eingesprochen. Dieser zeichnet mit seinen oft humorvollen Motiven aber kein, wie von der Obrigkeit befürchtet, tristes Erscheinungsbild des sozialistischen Staates, sondern vermittelt lebendige Aufnahmen einer anderen Kultur, in welcher der beständige Kampf mit dem Mangel, der Restriktion und der Abgrenzung vorherrscht. Ein dynamisches und sehr geschicktes Zusammenspiel von Ton und Bild – bewegend!
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Kurzfilm
Gattung:Dokumentarfilm; Experimentalfilm; Found Footage; Kurzfilm
Regie:Marc Thümmler
Drehbuch:Marc Thümmler
Kamera:Harald Hauswald
Schnitt:Marc Thümmler
Musik:Daniel Schellongowski
Länge:27 Minuten
Verleih:interfilm Berlin Short Film Sales & Distribution
Produktion: Marc Thümmler
FSK:0

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Dieser Fotofilm ist ein besonderer Glücksfall. Nicht nur, dass die bestechenden Schwarzweiss-Bilder des unangepassten DDR-Fotografen Harald Hauswald aus den 80er Jahren im Mittelpunkt stehen, vor allem werden sie mit Auszügen aus den umfangreichen Protokollen seiner Stasi-Akte so präzise montiert, dass eine eindringliche Beobachtung, Kommentierung und Ironisierung des politischen und kulturellen Klimas der DDR entsteht. Mit der Gestaltung der Tonebene kommt eine weitere Wahrnehmungsebene hinzu, die formal brillant den immensen Irrsinn und Unsinn der perversen Stasiüberwachung konterkariert. Sie gipfelt in den Originalzitaten einer Stasi-Kunstkritik an den Fotos, die dem System nicht gefallen konnten. So wie eine Kamera werden Alltagsgeräusche an- und ausgeschaltet, die geschwärzten Namen in der Stasi-Akte mit dem Kratzen eines Filzstiftes akustisch ausgemerzt, Schwarzblenden, wie das Zuklappen einer Akte, eingebaut. Alle diese Brüche führen zu einer mehrschichtigen Verschränkung von Bild und Text, die den Bespitzelungs-Alltag einerseits und die ästhetisch herausragende Arbeit eines systemkritischen Fotografen andererseits für den Zuschauer erlebbar macht. Erfreulich, dass an einer deutschen Universität solch ein reflektierter Abschlussfilm auf der Höhe der Zeit entstanden ist. Den Mut und die künstlerische Leistung von Marc Thümmler hält die Jury für besonders wertvoll.