Mistress America

Kinostart: 10.12.15
2015
Filmplakat: Mistress America

FBW-Pressetext

Tracy ist 18 Jahre alt und hat gerade angefangen, in New York zu studieren. Auf dem Campus, unter all den Hipstern und den Möchtegern-Intellektuellen, fühlt sie sich allein, und selbst der einzig coole Junge, mit dem sie sich anfreundet, nimmt sich lieber ein besitzergreifendes Mädchen als Freundin. Eigentlich ein gründlicher Fehlstart ins Erwachsenleben. Doch eines Tages trifft Tracy auf Brooke, ihre Stiefschwester in spe. Brooke wohnt schon länger in New York, ist Anfang 30, ein unabhängiger Geist und Wirbelwind. Tracy ist sofort begeistert von dieser Frau, die alles das verkörpert, was sie selbst gerne wäre. Stark, unabhängig, begehrt. Doch auch Brooke hat Probleme. Probleme, die zum Erwachsensein einfach dazugehören. Und die Tracy dazu inspirieren, ihre eigenen Ideen zu verfolgen. Noah Baumbachs neuer Film MISTRESS AMERICA sprüht nur so vor Charme und Liebenswürdigkeit. Das liegt zum einen an den herrlich leichten Dialogen, die ganz unprätenziös daherkommen und dennoch mit präzisem Sinn für Timing ausgearbeitet sind. Und zum anderen am Ensemble, angeführt von Lola Kirke, die als Tracy eine unverbrauchte filmische Entdeckung darstellt, und Greta Gerwig, die als fragile Lebenskünstlerin Brooke das Licht ist, um das alle anderen Figuren kreisen. Dabei gelingt es dem Film ganz spielerisch, nicht nur die positiven Seiten eines unabhängigen Lebensstils zu zeigen, sondern auch die problematischen Klippen, die es dabei zu umschiffen gilt. Die Generation junger Leute, die motivationslos nach einem Anker sucht, und die Generation der Anfang Dreißiger, die versucht, aus den vielen gebotenen Möglichkeiten einen Lebensweg zu basteln – beide Seiten werden abgebildet, nichts an der Geschichte wirkt behauptet. Der Soundtrack ist ebenso gutgelaunt Indie wie seine Protagonisten, die Kulisse von New York als Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten sowie die Vorstadt als Inbegriff von Geld und Langeweile unterstreichen die Konflikte der Figuren. MISTRESS AMERICA ist eine äußerst gelungene filmische Verbindung zweier Welten: Ein herrlich leichter Unterhaltungsfilm, der dennoch Tiefgang besitzt.

Filminfos

Gattung:Komödie; Spielfilm
Regie:Noah Baumbach
Darsteller:Greta Gerwig; Lola Kirke; Matthew Shear; Jasmine Cephas-Jones; Heather Lind; Michael Chernus; Cindy Cheung; Kathryn Erbe; Dean Wareham
Drehbuch:Noah Baumbach; Greta Gerwig
Kamera:Sam Levy
Schnitt:Jennifer Lame
Musik:Dean Wareham; Britta Phillips
Webseite:MistressAmerica-derFilm.de;
Länge:85 Minuten
Kinostart:10.12.2015
Verleih:Fox
Produktion: RT Features
FSK:6

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Eine rasante, intelligente Komödie mit ernstem Hintergrund, die von zwei weiblichen Figuren, 18 und 30 Jahre alt, dominiert wird. Der Zuschauer lernt zwei Beinahe-Schwestern kennen. Beinahe deshalb, weil der einen Mutter und der anderen Vater, die sich per Internet kennen gelernt haben, heiraten wollen. Doch manchmal kommt es anders als gedacht. Es wird rasant erzählt, nahezu alles wirkt spritzig undglaubhaft.
Es treffen zwei Vertreterinnen der Generation heutiger junger Frauen aufeinander, die auf den ersten Blick bis hin zum Sich-Kleiden wenige Gemeinsamkeiten haben, nicht einmal die Haarfarbe. Anfangs scheint es eindeutig zu sein, wer die „Mistress America“ ist, die den amerikanischen Traum von einem freien, selbst bestimmten Leben (sich) erfüllt. Natürlich ist es die temperamentvolle, kreative Brooke, deren Rolle von Greta Gerwig überzeugend dargestellt wird. Am Ende muss der Zuschauer dann entscheiden, ob es nicht zugleich die ruhige, immer erwachsener werdende Tracy ist, genauso überzeugend von Lola Kirke gespielt. Die Juroren fanden auch besonders wertvoll, dass die in New York angesiedelte Filmhandlung und die Lebenserwartungen der beiden jungen Frauen auch genau so in deutschen Großstädten vorstellbar wären. Für die Qualität des Filmes spricht auch neben der Kameraführung, die immer nah am Geschehen ist, die sorgfältige Ausstattung bis hin zur Kleidung und den Räumen.
Die beiden Gegenstimmen resultieren vor allem daraus, dass die eine oder andere Szene als etwas zu schrill empfunden wurde.
Dass Tracy Schriftstellerin werden will und alles, was sie erlebt, als Stoff für eine fiktive Erzählung verarbeitet, verleiht dem Film eine zusätzliche komische und ernste Note: Wie weit kann und darf die künstlerische Freiheit gehen? Da soll dann eine schwangere Rechtsanwältin für Steuerrecht gegen das noch unveröffentlichte Manuskript klagen, da fliegen lederne Taschen mit Texten im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Zugleich ermöglicht diese Konstellation die Stimme aus dem Off und ihre Kommentare.
Zum positiven Gesamteindruck tragen auch Nebenfiguren wie der Kinderarzt oder Brookes ehemaliger Freund und dessen Frau bei. Man kann schmunzeln, laut lachen, bedauern und sich freuen.
Wie schön, dass dies alles ohne „Überlänge“, sogar in 84 Minuten passiert.