Meeres Stille

Kinostart: 22.10.15
2013
Filmplakat: Meeres Stille

FBW-Pressetext

Helen wird von ihrem Mann Johannes mit einem Urlaub am Meer überrascht. Zusammen mit ihrer Tochter Frances fahren sie in ein einsames Ferienhaus. Doch das heile Bild bekommt Risse. Eine seltsame Angst erfasst Helen, während das Haus eine zweite, beunruhigende Geschichte um einen Jungen freilässt. Immer wieder holen Helen aufblitzende Erinnerungsfetzen aus Tönen und Bildfragmenten ein. Ein Fremder taucht auf. Auch er leidet unter den Schatten seiner Erinnerungen. In ihrem Erstlingswerk verrätselt die Regisseurin Juliane Fezer ihre Erzählung geschickt auf mehreren zeitlichen und räumlichen Ebenen. Da ist das Hier und Jetzt im Ferienhaus mit einer kalten, fast gespenstisch aufgeladenen Atmosphäre. Dazwischen Erinnerungsflashs, die Helen, zusammen mit dem Zuschauer, Stück für Stück in das entstehende Mosaik einsetzt, bis am Ende eine dramaturgische Wende das Leben aller auf den Kopf stellt und das verdrängte Trauma sichtbar wird. Als subtil eingesetztes Element dient ein bis ins kleinste Detail kunstvoll ausgearbeitetes Musik- und Soundkonzept, das das Drama einhüllt und alles verbindet. Erinnerungen, Schmerz und Hoffnung auf ein Loslassen. Mit Meeres Stille ist Juliane Fezer ein bemerkenswertes Debüt mit präzise gezeichneten Figuren und einer intensiven Filmsprache gelungen. Ein stiller und kraftvoller Film, auch dank seiner ausdrucksstarken Hauptdarstellerin Charlotte Munck.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Juliane Fezer
Darsteller:Charlotte Munck; Christoph Grunert; Christoph Gawenda; Nadja Bobyleva; Alexander Beyer; Henny Reents; Natalia Belitski; Nico Holonics; Daan Lennard Liebrenz; Elias Kassner; Bella Bading
Drehbuch:Juliane Fezer
Buchvorlage:Stefan Beuse
Kamera:Klaus Harnisch; Roman Sebastian Janke
Schnitt:Julia Wiedwald
Musik:Nikolaj Hess
Weblinks:;
Länge:142 Minuten
Kinostart:22.10.2015
Verleih:Julex Film
Produktion: Julex-Film, HR; ARTE G.E.I.E.; NDR; MDR; Degeto Film;
FSK:6
Förderer:Hessische Filmförderung

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Eine Frau entrümpelt in einem Innenhof alte Sachen für den Sperrmüll, bevor sie sich bereit macht für eine Woche Urlaub mit der Familie. Aber vielleicht ist der kaputte Stuhl, den sie auf dem Sperrmüll finden, es vielleicht doch wert, mitgenommen zu werden und ohne etwas zu sagen, bereitet ihr Mann den Transport des beschädigten Möbelstücks vor. Schon an der Eingangssequenz lässt sich erkennen, mit welch großer Sorgfalt und handwerklichem Können die Autorin und Regisseurin bei ihrem bemerkenswerten Debüt ans Werk gegangen ist. Und im Laufe des Films werden noch viele alte Stücke und Schicksale ent- und aufgedeckt werden. Aber ob sich alle richten lassen?

Der gesamte Film ist mit größter Sorgfalt aufgebaut und durchkomponiert, ein ausgefeiltes Musik- und Tonkonzept untermalt die Geschichte, formt die einzelnen Charaktere in feinen Momenten und führt den Zuschauer hinein in ein Gemenge aus Lügen, unterdrückten Wahrheiten und verdrängter Verantwortung. Die Kameraarbeit unterstützt dies, indem sie den Darstellern mal beinahe körperlich nahe kommt, mal Raum gibt und Räume gestaltet. Und auch die Hauptdarstellerin und die Tochter überzeugen durch intensives Spiel und nuancenreiche Darstellung der psychischen Gemengelage ihrer Figuren.

Die Dramaturgie des Films arbeitet extrem mit der Methode eines dominanten Vergangenheitsbezugs, die expositorische Informationsvergabe wird sukzessive in das dramatische Geschehen integriert. Ein Ereignis in der Vergangenheit determiniert das Verhalten, das Interagieren der Figuren in der Gegenwart. Es entsteht eine Was-Spannung, d.h. der Zuschauer will wissen, was passiert ist. Diese Spannung funktioniert, auch wenn der Film sich allzu viel Zeit dafür nimmt. Der Zuschauer wird also sehr lange in eine Was-Spannung versetzt, die durch geschickt ausgewählte Andeutungen, metaphorische Bilder und rätselhafte Dialoge aufrechterhalten wird. Dem psychologischen Rätselspiel zu folgen bereitet durchaus Vergnügen, auch wenn der Dialogstil in sich nicht kohärent genug ist. Die Dialoge changieren allzu sehr zwischen hoher Abstraktion und wirklichkeitsnaher Sprache, was zur Folge hat, dass es dem Zuschauer schwer fällt, sich zwischen emotionaler Anteilnahme und einem distanzierten Blick auf ein psychologisches Vexierspiel zu entscheiden. Die präsentierte Backstorywound besitzt zweifellos tragisches Potential. Ob sie dem Erwartungsdruck des Zuschauers standhalten kann, bleibt letztlich eine Frage des Empfindens jedes Einzelnen.

MEERES STILLE von Juliane Fezer ist gelungenes Kopfkino. Die Qualität dieses Spielfilmdebüts lässt von dieser Autorin und Regisseurin noch weitere spannende Werke erwarten.