Leonids Geschichte

Filmplakat: Leonids Geschichte

FBW-Pressetext

Tschernobyl, 1986. Eine atomare Katastrophe erschüttert die Welt. In irgendeiner Weise war jeder betroffen, und die Auswirkungen auf die Umwelt waren schrecklich. Doch was ist mit den Menschen in der nächsten Umgebung des Reaktors? Und den Helfern, die im zerstörten Gebäude selbst eingesetzt wurden? Wie gingen sie mit der Situation um, was haben sie erlebt, wie ging es mit ihnen weiter? Der Film von Rainer Ludwigs versucht Antworten auf diese Fragen zu finden, indem er Leonid, der als Polizist nach dem Unglück direkt in der verseuchten Zone eingesetzt wurde, seine Geschichte erzählen lässt. Sein Dorf lag nur 3 km vom Reaktor entfernt, seine Frau und seine Mutter wurden mit vielen anderen Menschen evakuiert, das Dorf dem Erdboden gleichgemacht. Es gibt unzählige Schicksale, die dem von Leonid und seiner Familie ähnlich sind. Und doch gibt es kaum Bilder davon. Rainer Ludwigs setzt Animationen, Fotos und die nachgesprochenen Erinnerungen der Familie ein, um dem Zuschauer einen Einblick in die damaligen Vorkommnisse zu bieten. Es ist grausam und bedrückend, sich dieser Geschichte zu stellen, und doch so wichtig, dass sie nicht in Vergessenheit gerät. Denn Leonid und seine Familie leiden noch heute unter den gesundheitlichen Schäden, die die Radioaktivität ihnen angetan hat. Und es kann wieder passieren. Überall auf der Welt. Aus Leonids Geschichte kann und sollte man lernen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Rainer Ludwigs
Drehbuch:Rainer Ludwigs
Kamera:Rainer Ludwigs
Schnitt:Rainer Ludwigs
Musik:André Feldhaus
Länge:18 Minuten
Produktion: Image-Building Rainer Ludwigs
Förderer:Nordmedia

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Es war eine kluge Entscheidung, diese Geschichte in der Form eines animierten Dokumentarfilms zu erzählen. So stand den Filmemachern eine breite Palette von Stilformen zur Verfügung, und es konnten Bilder für das anders nicht Zeigbare (wie der atomare Schnee) gefunden werden. Erzählt wird die Geschichte einer Familie, die bei Tschernobyl lebte, die Katastrophe dort aus äußerster Nähe miterlebte und zu den wenigen heute noch Überlebenden aus dieser Region zählt.
Die Lebensgeschichte des Liquidatoren Leonid Semenowitsch ist voller tragischer Ironien. So war der in einem Dorf in der Nähe von Tschernobyl aufgewachsene Polizist in seiner Jugend an den fernen Baikal-See versetzt worden. Dort lernte er seine Frau kennen und versuchte alles in seiner Macht stehende, um wieder in seinen Heimatort versetzt zu werden. Ein halbes Jahr vor dem Gau gelang diese ihm auch und für das Ehepaar war das kleine Häuschen in der idyllischen Landschaft das Paradies. Ihr Glück schien perfekt, als seine Frau entgegen aller Vorraussagen doch noch schwanger wurde. Doch diese Alltagsidylle zerfiel zu Staub, als der Reaktor zu brennen begann.
Rainer Ludwigs Bildfindung ist bemerkenswert. Zum Teil arbeitet er mit Originalfilmaufnahmen und Fotos, zum Teil übermalt er diese, um besondere Stimmungen zu erzeugen, oft zeichnet er aber auch ganz neue Bilder, die im Off von den Erzählstimmen Leonids und seiner Frau kommentiert werden. Dabei betont Ludwigs immer das Prozesshafte seiner Arbeit: sein Zeichenstrich ist immer deutlich erkennbar, vieles bleibt fragmentartig oder schemenhaft. Doch jedes Bild ist wirkungsvoll gesetzt und viele Impressionen haben eine melancholisch, poetische Qualität. Bewegend ist auch der Kontrast zwischen der dörflichen Idylle vor der Katastrophe und der Höllenlandschaft danach ins Bild gesetzt worden.
Eine große, tragische Geschichte wird hier zurückhaltend, aber mit deutlich spürbarem Mitgefühl für Leonid und seine Familie erzählt, deren Überlebensmut hier auch ganz ruhig und deshalb nur um so eindrucksvoller gefeiert wird.