Francos Erbe - Spaniens geraubte Kinder

Filmplakat: Francos Erbe - Spaniens geraubte Kinder

FBW-Pressetext

In ihrem äußerst spannenden Dokumentarfilm FRANCOS ERBE – SPANIENS GERAUBTE KINDER erzählt die Dokumentarfilmerin Inga Bremer von den gravierenden Auswirkungen der Zwangsadoptionen, die unter der Herrschaft Francos in Spanien begannen und bis weit in die 1990er Jahre weiter praktiziert wurden. Beteiligt daran waren Politik, Kirche und Gesellschaft – dementsprechend schwer ist es auch heute, die Verantwortlichen zu belangen. Und doch gibt es Menschen, die nicht aufgeben, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Clara Alfonsa ist 43 und lebte in dem Glauben, sie habe mit 14 Jahren einen Sohn tot zur Welt gebracht. Mittlerweile ist sie verheiratet und erneut Mutter. Nach über 27 Jahren taucht schließlich ihr lebendiges Kind auf – es ist eine Tochter, mit der Clara Alfonsa eine kurze intensive Zeit verbringt. Als wiederrum die 42-jährige Alicia beginnt, nach ihrer leiblichen Mutter und somit nach ihrer wahren Herkunft zu suchen, wendet sich ihre Adoptivfamilie von ihr ab. Als alleinerziehende Mutter steckt sie in dem Dilemma, zwischen Hoffnung und Enttäuschung hin- und hergerissen zu werden und dadurch auch ihren Sohn zu belasten. Der 51-jährige Anwalt Enrique wurde als Baby selbst adoptiert. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, um die Entschädigung der Opfer zu kämpfen. Aktuell führt er einen Prozess, in dem er die Verantwortlichen vor Gericht bringen möchte, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Neben der Begleitung dieser Protagonisten wirft FRANCOS ERBE auch immer wieder einen Blick auf andere Betroffene, die Videobotschaften im Internet veröffentlichen, Demonstrationen organisieren oder nach Verwandten in entsprechenden Netzwerken suchen. Sensibel und eindrucksvoll zeigt die Jungregisseurin die authentischen Protagonisten mit ihren Ängsten und Bemühungen und vor allem ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit. Ihr Fokus liegt auf den Opfern, die sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und nach ihrer wahren Identität suchen. Die Interviews mit den drei Hauptfiguren und die Hilferufe der vielen weiteren Suchenden machen es den Zuschauern möglich, emotional und thematisch tief in die Problematik einzutauchen. Dass die andere Seite - der Staat und die Adoptivfamilien – hier nicht zu Wort kommt, schmälert die reflektierte Aussage des Films in keiner Weise. Beeindruckend vermittelt FRANCOS ERBE ein hoch brisantes und komplexes Thema und schafft Aufmerksamkeit für die unschuldigen Opfer eines diktatorischen Regimes.
Prädikat besonders wertvoll

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Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Inga Bremer
Drehbuch:Inga Bremer
Kamera:Kirstin Schmitt
Schnitt:Marielle Pohlmann
Musik:Can Erdogan-Sus
Länge:70 Minuten
Produktion: Soilfilms GmbH & Co KG Silvana Santamaria, BR; Arte;

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Der Dokumentarfilm von Inga Bremer deckt ein finsteres Kapitel aus der jüngeren spanischen Geschichte auf, das weitgehend unbekannt ist. Während Francos Diktatur und noch weit bis in die 1990er Jahre wurden Säuglinge direkt nach der Geburt ihren Müttern weggenommen und verkauft. Ärzte, Nonnen, Priester, Sozialarbeiter und Krankenschwestern waren in den Handel verwickelt, 300.000 Kinder wurden geraubt.
Drei Protagonisten stehen im Mittelpunkt der Dokumentation: Alfonsa (43), die mit 14 ihr erstes Kind bekam, wurde von den Nonnen erzählt, dass ihr Kind bei der Geburt gestorben ist - 27 Jahre später taucht plötzlich ihre Tochter auf. Alicia (42) stößt nach dem Tod ihres Adoptivvaters auf Papiere, in denen protokolliert ist, wie viel ihre (vermeintlichen) Eltern für ihre Adoption gezahlt haben. Der Anwalt Enrique (51), ebenfalls Adoptivkind, das nach seiner Mutter sucht, hat sich dem Kampf für die Entschädigung der Opfer verschrieben. Wie mühevoll dieser Weg ist zeigt Alfonsas Klage. Sie will gerichtlich feststellen lassen, dass der Raub ihrer Tochter Unrecht war. Ihre Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, sie wird ihren Kampf fortführen, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof. Bei den Ermittlungen begegnen die Opfer der großen Macht der katholischen Kirche, die politisch immer mitgemischt hat und nach wie vor nicht bereit ist ihre Archive zu öffnen. Die Enthüllungen über das unvorstellbare Szenario der geraubten Kinder dringen nur langsam ins Bewusstsein der spanischen Öffentlichkeit. Die Aufklärung der Fälle der „Niños Robados“, der geraubten Kinder, ist nicht nur für die Opfer wichtig, wie der Film deutlich macht, sondern für die ganze spanische Gesellschaft. An den Opfern Alicia und Alfonsa wird deutlich, dass ihnen der Kampf gegen das Unrecht heute noch einen Teil ihres Lebens, ihrer Tage und Nächte, stiehlt.

FRANCOS ERBE zeigt fast ausschließlich die Seite der Opfer, Stellungnahmen von Adoptiveltern oder aus dem Gericht gibt es keine. Nur eine Krankenschwester, die anonym bleibt, gibt zu, dass in ihrem Krankenhaus der Kindesraub von einer Nonne organisiert wurde, die die Säuglinge an zahlungskräftige Eltern vermittelt hat. Die Jury hätte sich einen Hinweis gewünscht, warum vom Gericht kein Kommentar eingeholt werden konnte und auch eine zusammenfassende Fakteneinordnung wäre hilfreich gewesen. Dennoch war die Jury von der Aufarbeitung des wichtigen Themas sehr beeindruckt und gibt dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“.