Faust

Kinostart: 19.01.12
2011
Filmplakat: Faust

FBW-Pressetext

Was die Naturwissenschaften angeht, ist Faust Universalgelehrter. Sein Wissensdurst scheint unstillbar, doch sind ihm die Erkenntnisse nie gut genug. In seiner unerschöpflichen Neugier und der umtriebigen Suche nach dem Sinn des Lebens schließt er einen Pakt mit dem „Wucherer“, der ihn auf einen Pfad der Unmoral und Rücksichtslosigkeit führt. Die Geschichte des Faust ist bekannt, doch der russische Meisterregisseur Alexander Sokurow schafft es, der legendären Figur neues dramatisches Leben einzuhauchen. Eingebettet in monumentale Landschaften und ein aufwändiges Setting lässt Sokurow seine Darsteller in Goethes Drama eintauchen, ohne sich sklavisch nah an die Vorlage zu halten. Die Bildkomposition wirkt fast wie Malerei, die Musik ist opernhaft gewaltig und das Spiel der internationalen Theatergrößen, die hier versammelt sind, ist expressiv und kraftvoll. Eine vor Energie überbordende Literaturverfilmung mit hohem Anspruch, die Goethes Werk in ein neues Licht taucht.

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

In dieser radikalen Neuinterpretation hat der russsische Regisseur Alexander Sokurow dem Klassiker alles Museale und Schulbuchhafte genommen. Ein paar Goethe-Zitaten wie „Habe nun ach...“ oder „kann ohne Geleit nach hause gehen...“ fallen so beiläufig, dass man sie fast überhört hätte.
Auch sonst vermeidet Sokurow jede klassische Klarheit. Seine Bilder und Töne sind verzerrt und vieldeutig, und schon von der ersten Szene an wird klar, dass die Seele kein wertvolles Gut mehr ist, weil die Menschen in der beginnenden Moderne schlicht nicht mehr an sie glauben. Faust wühlt in den Organen einer Leiche herum, doch die Seele ist zwischen den herausquellenden Organen nicht zu finden.
Der Pakt mit dem Teufel ist wie vieles andere als eine Farce inszeniert: Faust beklagt sich über die mangelnde Rechtschreibung und verbessert sie wie ein Diktat.
Die Unterschrift mit seinem Blut wird schließlich ein kaum erkennbares Gekritzel. Mephisto selber ist hier grotesk missgebildet, mit einem kleinen Schweineschwänzchen am Hinterteil. Statt Faust die Allmacht und das Paradies auf Erden zu versprechen, verblüfft er ihn mit ein paar billigen Wundern, die eher wie Zaubertricks wirken. Er trinkt eine Flasche mit Schierling aus, ohne am Gift zu sterben und lässt eine Mauer Wein bluten. Unterschwellig vergiftet er den wenigen Idealismus, den Faust noch hat, sodass dieser sich am Ende des Films von ihm befreien kann. Denn nun ist er der gänzlich diesseitig Dämonische, der in die totalitäre Freiheit des 20. Jahrhunderts wandert. So ist dieser FAUST ein konsequenter Abschluss von Sokurows Tetralogie über Machthaber, eine Art Prequel zu den Filmen über Hitler, Lenin und den japanischen Kaiser Hirohito. Bewusst sperrig inszeniert, mit einer eher diffusen Dramaturgie voller Abschweifungen und rätselhafter Begegnungen (Hanna Schygulla als die diesen umschwänzelnde „Ehefrau“ des Teufels). Die Handlung scheint eher einer (Alp)traumlogik zu folgen, nicht nur deshalb ist diese Inszenierung auch formal ein grandioser Gegenentwurf zu der klassischen Vorlage.