Ein Tag und eine Ewigkeit

Filmplakat: Ein Tag und eine Ewigkeit

FBW-Pressetext

Dorothea lebt auch mit 93 Jahren noch in der eigenen Wohnung und meistert den oft beschwerlichen Alltag mit viel Disziplin, Mut und Kraft. Zwischen die Off-Kommentare der rüstigen Rentnerin schneidet die Filmemacherin in langen, ruhigen Einstellungen Schwarzweiß-Bilder von alltäglichen Ritualen und der Organisation des Tagesablaufes: vom nächtlichen Gang zur Toilette, über Gymnastik, Gebiss einsetzen, Essen machen, Mittagsschlaf usw. In feinen Nuancen und prägnanten Aussagen konzentriert sich der Kurzfilm auf seine existenzielle Kerngeschichte und fängt somit auf einfühlsame Weise die versöhnliche Stimmung des Abschiednehmens ein. Ein großer Gewinn ist ebenso die Nähe zur Protagonistin und der respektvolle Umgang mit ihr sowie die Wahl der reduzierten Stilmittel, die dem Thema absolut entsprechen. Ein herausragendes Dokument.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Anna Hepp
Darsteller:Dorothea Hepp
Drehbuch:Anna Hepp
Kamera:Anna Hepp
Schnitt:Anna Hepp; Gregor Theus
Musik:Jascha Viehl
Webseite:annahepp.com;
Länge:24 Minuten
Verleih:KHM
Produktion: Kunsthochschule für Medien Köln
Förderer:Kunsthochschule für Medien Köln

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Mit ihren 94 Jahren hat Dorothea „ihr Leben gelebt“. Sie lässt uns teilhaben an ihrem Tagesablauf, vom mühevollen Aufstehen mit Morgentoilette, Gymnastik und dem Gang im Garten hinter dem Haus, zur Zubereitung und dem Verzehr des Essens mit anschließender Mittagsruhe bis zum Abendessen und Fernsehen. Ein Alltag in langsamem Rhythmus, der gekennzeichnet ist durch Routine und strikte Disziplin, die den Tag strukturieren und ihr trotz zunehmender Mühsal und Schmerzen nach wie vor ein eigenständiges Leben in ihrer Wohnung erlauben, in der sie „allein, aber nicht einsam“ ist. Zwischen den einzelnen Szenen wird die Leinwand schwarz, und Dorothea lässt uns aus dem OFF teilhaben an ihren Gedanken, an dem, was sie im hohen Alter beschäftigt und was sie zum Grübeln bringt. Ihre Stimme klingt erstaunlich jung, mitunter humorvoll, auch wenn sie vom nahen Ende des Lebens spricht. Sie sei bereit, den Tod anzunehmen, und hoffe, dass sie sanft und ohne Schmerzen einschlafen könne. Eine Woche nach Abschluss der Dreharbeiten, so erfahren wir im Abspann, ist Dorothea verstorben. Nach diesem Film sind wir bereit anzunehmen, dass der Tod kam, wie Dorothea es sich gewünscht hat: als Happy-End nach einem erfüllten Leben.

Der Filmemacherin, einer Enkeltochter von Dorothea, ist ein intimer Film über Liebe und Abschiednehmen gelungen, der sowohl inhaltlich als auch in seiner formalen Gestaltung überzeugt. In seiner bewussten Reduktion, mit Schwarzweiß-Fotografie und ruhigen, relativ starren Kameraeinstellungen, die mit Tonsequenzen auf schwarzer Leinwand wechseln, ist der Film konsequent durchkomponiert und entspricht seinem Sujet. Von der ersten Einstellung an wird für den Zuschauer die Beschwerlichkeit des Alltags in hohem Alter spürbar. Wenn Dorothea spricht, lenkt kein Bild ab von ihren Gedanken, die die Quintessenz eines langen Lebens darstellen und deutlich machen, dass der Tod seinen Schrecken verliert, wenn man mit sich und dem Leben im reinen ist. Dabei begleitet die Filmemacherin ihre Protagonistin mit viel Liebe und Respekt. Aber der Film zeichnet kein Porträt von Dorothea: Wir erfahren weder Details aus ihrem Leben, noch wissen wir, ob sie im Alltag (bei Hausarbeiten oder dem Einkauf) Unterstützung erhält. Er konzentriert sich ganz auf seinen Kern: den Abschied und das Hinübergleiten in den Tod mit Würde und Liebe. Damit ist er zugleich eine Hommage an eine bemerkenswerte Persönlichkeit.