Bevor das Gras wächst

Filmplakat: Bevor das Gras wächst

FBW-Pressetext

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Privatgespräche deutscher Kriegsgefangener abgehört. Rund 150.000 Seiten umfassen die Protokolle dieser Gespräche. Der Filmemacher Alexander Scherer stellt die grausamen Aussagen der Soldaten über die erlebten und teils auch begangenen Greueltaten in seinem Film in krassen Gegensatz zu den Briefen der Soldaten an ihre Lieben daheim. Gelesen werden die Dokumente von Sprechern, denen der Zuschauer in ruhigen filmischen Montagen, ohne zusätzliche filmische Effekte, sehr nahe kommt. Der unerträgliche Alltag der Soldaten, die Kälte und die Beiläufigkeit, mit der von den Grausamkeiten erzählt wird, offenbart sich schonungslos und wirkt durch den Kontrast mit der Sorge und der Wärme, die in den Briefen ausgedrückt wird, umso unfassbarer. Ein kluger und wichtiger Film, dem man sich stellen muss, um nicht zu vergessen. Bevor das Gras wächst.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm
Regie:Alexander Scherer
Drehbuch:Alexander Scherer
Kamera:Enis Vardar
Schnitt:Enis Vardar
Musik:Tom Blankenberg
Länge:20 Minuten
Produktion: studio.scherer Alexander Scherer

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

In einem Studio werden Texte mit wechselnden Sprechern in wechselnden Rollen verlesen. Handelt es sich um eine Hörspielproduktion? Zwei junge Männer, eine ältere und zwei junge Frauen lesen Fragmente von Briefen, von Protokollen. Was hier verlesen wird, sind erschütternde Dokumente.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die in Gefangenschaft geratenen deutschen Soldaten in englischen und US-amerikanischen Lagern bei ihren Privatgesprächen abgehört. 150.000 Seiten umfassende Protokolle entstanden so. In den niedergeschriebenen Gesprächen offenbart sich die ganze Brutalität des Krieges, die Verrohung und die Unmenschlichkeit, welche das System der Hitler-Diktatur und ihre Ideologie in den Menschen hervorgebracht hat. Sie sprechen über schier unglaubliche Untaten mit größter Gefühllosigkeit. Als Gegenpol werden die Feldpostbriefe an ihre Frauen und Familien verlesen, die einen völlig anderen Ton anschlagen.
Während den Vorlesern der Gesprächsprotokolle gelegentlich vor Erschütterung die Stimme versagt und das Grauen sie fast verstummen lässt, klingen die Feldpostbriefe wie aus einer anderen Welt.
Die Regungen der Vortragenden wirken authentisch. Nicht inszeniert, sondern echt und glaubwürdig. So entsteht ein starkes Dokument der Verrohung und gleichzeitiger Verharmlosung, das zu einem Ausdruck von Vernichtung durch Verwaltung erstarrt.
Die filmische Umsetzung wird dem Thema absolut gerecht, die Einstellungen zeigen ein hohes Maß an dramaturgischer Gestaltung. Die wuchtige emotionale Wirkung findet in der klaren, puristischen Umsetzung ihre angemessene Form. Auch der Titel trifft genau die Intention des Vorhabens. Nicht aus der Erinnerung soll berichtet werden, sondern von den Gefühlen im Augenblick ihres Entstehens.