Barbara

Kinostart: 08.03.12
2012
Filmplakat: Barbara

FBW-Pressetext

DDR, Anfang der Achtziger Jahre. Weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hat, wird die Ärztin Barbara in ein Provinzkrankenhaus strafversetzt und trifft dort auf den aufmerksamen und stets hilfsbereiten Chefarzt Andre. Von der Stasi wird Barbara auf Schritt und Tritt überwacht. Dennoch kann sie sich für kurze Augenblicke davonstehlen, um sich mit ihrem Geliebten aus dem Westen zu treffen. Gemeinsam planen sie ihre Flucht. Doch immer stärker beschäftigt Barbara die Frage, für welche Art von Leben sie sich nun entscheiden soll. Der neue Film von Christian Petzold überzeugt vor allem durch die großartige Nina Hoss. Mit minimalistischem Spiel verkörpert sie die Zerrissenheit der Hauptfigur, die sich unter ständiger Beobachtung wie ein gefangenes Tier im Käfig bewegt. Die Grundstimmung des Films wirkt bedrohlich, die Konflikte spitzen sich immer weiter zu. Ein spannender und authentischer Blick auf ein Stück deutsche Geschichte.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Christian Petzold
Darsteller:Nina Hoss; Ronald Zehrfeld; Jasna Fritzi Bauer; Mark Waschke; Rainer Bock
Drehbuch:Christian Petzold
Kamera:Hans Fromm
Schnitt:Bettina Böhler
Musik:Stefan Will
Webseite:;
Weblinks:;
Länge:101 Minuten
Kinostart:08.03.2012
Verleih:Piffl
Produktion: Schramm Film Koerner & Weber, ZDF;
FSK:6
Förderer:FFA; BKM; MBB; DFFF

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Barbara (Nina Hoss) ist Ärztin in der DDR. Strafversetzt, weit weg von der Hauptstadt Berlin in ein kleines Provinzkrankenhaus, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Fortan steht sie unter strenger Überwachung der Stasi. Ihre Wohnung wird immer wieder gefilzt und sie muss auch noch nackt intime Körpervisitationen über sich ergehen lassen. Es ist ein kleiner Ort, die Augen scheinen überall zu sein. Sogar im Krankenhaus in der Kinderchirurgie, in die sie versetzt wurde. Barbara bleibt den neuen Kollegen und Kolleginnen gegenüber auf Distanz, sie wartet ab. Ihr ist klar, dass ihr neuer Chef Andre (Ronald Zehrfeld) für die Stasi Berichte über sie abzuliefern hat. Doch Barbara erlebt diesen Mann als sehr widersprüchlich. Er ist hilfsbereit und ihr zugewandt, lässt sie gewähren - auch als sie dem jungen Mädchen Stella hilft, das sich in einer schwierigen Situation befindet. Andre wirkt wie ein Teddy, der niemand etwas zu leide tun will. Überaus fürsorglich gibt er Barbara das Signal, dass er ihr nahe sein will, sie liebt.

Doch Barbara hatte sich in Berlin bereits in den westdeutschen Jörg verliebt. Sie will mit seiner Unterstützung fliehen, er bereitet dafür die Flucht über die Ostsee vor. Es gibt zwei heimliche Treffen, im Wald und im Interhotel. Jörgs Geschäftspartner trifft sich im Nebenzimmer mit einer hübschen jungen Frau. Zufällig trifft diese dort auf Barbara und schwärmt ihr vom, naiv scheinenden, Traum von Geschenken und Heirat vor. Eine Schlüsselszene für die Situation von Barbara.

Und sie muss sich entscheiden, ob sie in den Westen flieht oder ob sie ihrem Schützling Stella die Flucht ermöglicht, die, aus der Strafkolonie geflohen und schwanger, in der DDR zugrunde gehen würde. Denn das kleine Floß über die Ostsee taugt nur für einen Menschen.

Wir als Zuschauer verfolgen eine ruhig erzählte Geschichte, sorgsam konstruiert über den Alltag in der DDR, der bestimmt war durch Beobachtung, Kontrolle und Observation als ständige Bedrohung der Privatssphäre in einem durch und durch repressiven Systems. Der Regisseur Christian Petzold ist bekannt für Reduktion auf das Wesentliche, auf den Kern einer Geschichte. Dies gilt auch für diesen Film. Auch in Sachen Ausstattung und Besetzung. Das Krankenhaus, die Kleinstadt, die Wohnung und die Natur wirken wie typisierende Chiffren, ebenso der relativ kleine Cast der Nebenfiguren. Es entsteht eine eigentümlich hohe Spannung durch die langsame Entwicklung der Erzählung, als würde man selbst bei der Entstehung der Gedanken und Abläufe dabei sein, ähnlich wie bei einem Theaterstück. Kleinbürgerlicher Mief in der DDR contra eigene Lebensentwürfe, für die es sich zu entscheiden gilt. Hervorragend Nina Hoss als Titelheldin Barbara, schwächer dagegen Ronald Zehrfeld als Andre, der immer ein wenig zu freundlich abwartend erscheint. Der stoische Stasioffizier in der Rolle als sein Schicksal annehmender Überwacher erhält menschliche Züge, wenn seine private Situation zum Thema wird – eine gelungene Typisierung im System eines Überwachungsstaats. Petzold verzichtet auf eine Dramatisierung oder gar Romantisierung der Fluchtgeschichte. Im Mittelpunkt steht die Entscheidung für die Menschlichkeit in einem erdrückenden System, für die Liebe zum Beruf und last but not least für eine der Liebesbeziehungen auf beiden Seiten der Grenze.

Ein brisantes Thema der DDR-Geschichte mit einer herausragend emotional unterkühlten Nina Hoss als Barbara wird verknüpft mit einer stetig spannend zu verfolgenden Entscheidungsfindung, weil es eine objektive klare Lösung nicht gibt.