Zwölf Uhr mittags

Kinostart: 26.11.65
1952
Filmplakat: Zwölf Uhr mittags

Kurzbeschreibung

An seinem letzten Arbeitstag als Sheriff wird Will Kane mit dem gefürchteten Mörder Frank Miller konfrontiert, der sich an ihm rächen will. Obwohl er fliehen könnte, stellt sich Kane seinem Feind. Minutiös in Echtzeit gestalteter Western-Klassiker, der in einem furiosen, vielzitierten Finale gipfelt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm
Regie:Fred Zinnemann
Darsteller:Gary Cooper; Grace Kelly; Thomas Mitchell; Lloyd Bridges; Katy Jurado
Drehbuch:Carl Foreman
Buchvorlage:Tennessee Williams
Kamera:Floyd Crosby
Schnitt:Elmo Williams; Harry Gerstad
Musik:Dimitri Tiomkin
Länge:84 Minuten
Kinostart:26.11.1965
Produktion: , Warner; United Artists;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Bewertungsausschuß hat dem Film das Prädikat "besonders wertvoll" verliehen. Dem Film ist es in verblüffender Weise gelungen, ein anscheinend abgespieltes und überholtes Genre der Filmproduktion, den sogenannten Western, künstlerisch zu erneuern. Dabei hat er sich der feststehenden Handlungselemente und Typen des Westerns bedient und weder im Text, noch in der Darstellungskunst irgendwelche fremden Elemente zur Hilfe genommen. Trotz dieser Voraussetzungen wirkt der Film als eine hervorragende Einzelleistung, die auch jenen Teil des Publikums, der an Western nicht interessiert ist, beeindrucken muß.

Diese neue Erfüllung einer alten Filmgattung läßt sich schon vom Buch her an der Tatsache ablesen, daß das vom Western her gewohnt Einzelgängertum des Helden hier erst durch einen gesellschaftlichen Vorgang entwickelt wird. Der Film verwendet weite Partien darauf, die gesellschaftliche Isolierung des Sherrifs in der kleinen Stadt in immer neuen Variationen vorzuführen. In der Gegenüberstellung der Kneipenszenen und der erregten Diskussion in der Kirche hat er dabei eine besondere dramatische Spannung erreicht. Der einäugige Gast aus der Kneipe, der angetrunken dem Sherrif folgt, um ihm als einziger seine Hilfe anzubieten, verstärkt symbolisch den Eindruck einer fortschreitenden Vereinsamung des Sherrifs, die dann schließlich durch Einblicke in die ausgestorbene Stadt nur noch bildlich dargestellt wird. Auch dabei gelingt dem Film wieder eine Steigerung, und zwar durch die Vorbeifahrt der beiden Frauen an dem Sherrif, der dann allein die Straße entlanggeht, während sich jetzt sogar, mit dem Wagen der beiden Frauen, auch die Kamera von ihm entfernt. Nach dieser Fahrt zieht die Kamera sich an einen überhöhten Standort zurück, von dem aus man den Helden nur noch als ein kleines, verschwindendes Lebewesen in der ausgestorbenen Stadt sieht.

Neben dieser gesellschaftlichen Vereinsamung läuft, vorzüglich mit den übrigen Handlungselementen verzahnt, ein persönliches Drama ab, das für den Sherrif auch wieder nur Vereinsamung zur Folge hat. Als erste verläßt ihn seine Frau, die er gerade geheiratet hatte. Sie ist Quäkerin und will an dem bevorstehenden Kampf nicht teilhaben. Daneben steht der dunkle Frauentyp der Mexikanerin, die nach der Verhaftung des Mörders die geliebte des Sherrifs war. Vor einem Jahr hat der Sherrif sie verlassen. Jetzt lebt sie mit dem Hilfs-Sherrif zusammen, der gehofft hatte, nach der Hochzeit des Sherrif dessen Posten übernehmen zu können. Zwischen diesen vier Menschen entwickeln sich mancherlei dramatische Situationen der Eifersucht, die in dem Gespräch der beiden Frauen im Hotel und der Schlägerei der zwei Männer im Pferdestall zum offenen Ausbruch kommen. Es gehört zu den besonderen psychologischen Freiheiten des Films, daß der Sherrif bei der Schlägerei, wenige Minuten vor dem entscheidenden Kampf mit den vier Verbrechern, als ein Mann gezeigt wird, der nicht mehr im vollbesitz Jugendlicher Kräfte ist. Schon hier droht er zu unterliegen. Vor dem entscheidenden Kampf ist die Mexikanerin der einzige Mensch, der den Sherrif bei seinem Ausharren auf scheinbar verlorenem Posten versteht. Auch hier gelingt dem Film wieder eine psychologische Meisterleistung. Die Mexikanerin überträgt ihr Verständnis für den Sherrif auf dessen Frau, die dann nicht abreist, sondern ihrem Mann beisteht. Die Schießerei mit den vier Verbrechern trägt wieder alle Elemente des gewohnten Westerns in sich und wirkt doch keinen Augenblick reißerisch. Sie ist mit einem großartigen Spürsinn für retardierende Momente und Überraschungen so angelegt, daß sie sich auf dem äußersten Höhepunkt der Spannung sogar noch einen gewissen Humor erlauben kann.

Mit Unauffälligen Mitteln ist es dem Buch und der Regie gelungen, dem Betrachter ein genaues Gefühl für den Ablauf der Zeit einzuimpfen, der überdies mit dem Ablauf der Zeit, die der Betrachter beim Ansehen des Films verbringt, fast auf die Minute übereinstimmt. Seine überragende Qualität hat der Film dadurch erreicht, daß seine starken Wirkungen ausschließlich durch filmische Mittel hervorgerufen werden. Dabei sind Kamera, Schnitt und akustische Behandlung gleichwertig beteiligt. Der Film konnte bei dieser hervorragenden Qualität seiner filmischen Mittel sogar monotone Wiederholungen als entscheidende Mittel zur Steigerung der Spannung verwenden, so z.B. die ständige Wiederholung des Schienenstranges mit den wartenden Verbrechern und die immer unruhigeren Gänge des Sherrifs durch die Stadt. Bei diesen Gängen ist die leitmotivische Musik von Tiomkin besonders hervorzuheben. Es fällt auf, daß der Film sich bei der Steigerung der Spannung an keiner Stelle reißerischer Effekte bedient, sondern die Spannung immer von innen her und durch die Schnittfolge der Bilder entwickelt. Trotzdem wird die Spannung bis zum zerreißen gesteigert, und zwar durch Bildeinstellungen, die für diesen Film typisch sind: jede Bewegung ist erstarrt, sogar in der lärmerfüllten Kneipe herrscht jetzt atemlose Stille.

Die Darsteller wurden ganz in den ausgesprochen fimischen Charakter dieses Films einbezogen. Ihnen waren die typischen Standardrollen des Westerns übertragen, die sie nun ihrerseits mit dem eigentümlichen Klima dieses Films anzufüllen hatten. Das ist in besonderer Weise Gary Cooper als Sherrif gelungen.

Dank der ausgezeichneten Leistungen des Drehbuches, der Regie, der Darstellung, der Kamera und des Schnitts ist hier ein Wildwestfilm zum Sinnbild für die uralte Geschichte des Menschen geworden.