Quellen des Lebens

Kinostart: 14.02.13
2012
Filmplakat: Quellen des Lebens

FBW-Pressetext

Deutschland, 1949. Erich Freytag kehrt aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück, muss aber feststellen, dass seine Frau mittlerweile mit seiner Schwester eine Beziehung eingegangen ist. Auch seinen Söhnen fällt es schwer, den jahrelang abwesenden Vater als solchen zu akzeptieren. Doch Erich setzt alles daran, seine Familie mit Tatkraft zurückzuerobern. Mit einer Gartenzwerg-Fabrik feiert er Erfolge und wird Teil des nationalen Wirtschaftswunders. So beginnt Oskar Roehler die Verfilmung seines autobiografischen Romans „Herkunft“. Es ist die Geschichte der Großeltern, mit denen alles seinen Anfang nimmt. Darauf folgt die Geschichte der Eltern, die Teil des Berliner Boheme-Lebens der 68er-Bewegung sind. Und es ist schließlich die Geschichte des Sohnes und Enkels, der von seinen Eltern in ein Internat geschickt wird und nicht richtig weiß, welche Identität er annehmen und verkörpern soll. Bis er seine große Liebe trifft. Und sich bei ihr zuhause fühlt. Bei einer Filmlänge von drei Stunden wird der Zuschauer nichtsdestotrotz in jeder Minute von der berührenden Familienchronik gefesselt, die Roehler zeichnet. Zugleich erzählt der Film viel über deutsche Geschichte, über das Erbe vergangener Zeiten, die Reibung der Generationen untereinander. Dies alles ist Rückblick und aktuelles Gleichnis in einem. Der Cast ist mit dem Who is Who der deutschen Schauspielriege besetzt. Jürgen Vogel, Meret Becker, Lavinia Wilson, Kostja Ullman hauchen ihren Figuren Seele und Tiefe ein und tragen, zusammen mit einer exzellenten Kamera- und Lichtarbeit, ihren Anteil dazu bei, dass dieser Film nicht nur in seiner klaren und klugen Struktur fasziniert, sondern auch mit seinen Schicksalsgeschichten tief berührt. Ein epischer und großer Film über eine Familie in Deutschland mit ihren kleinbürgerlichen Träumen, dem trotzigen Willen zur Rebellion und der stetigen Sehnsucht nach einem Zuhause.

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Trotz seiner epischen Länge ist Oskar Roehler ein packendes Drama von großer dramaturgischer Dichte gelungen. Die Verfilmung seines eigenen autobiographischen Romans „Herkunft“ verfolgt das Schicksal und die Deformationen einer Familie im Nachkriegs-Deutschland. Sie beginnt mit der Heimkehr eines Kriegsgefangenen, der - angepasst an das vorherrschende Milieu der Verdrängung und Verleugnung - ohne Zögern und entschlossen in den Wiederaufbau einsteigt. Es folgen die schrecklichen Jahre der klein- und großbürgerlichen Spießigkeit und der wirren Revolten der 1960er Jahre, in denen Roehlers ‚Alter Ego’ als vernachlässigtes, schwer traumatisiertes Kind heranwächst (die Beziehung zu seiner Mutter Gisela Elsner hatte Roehler schon in „Die Unberührbare“ thematisiert). Es klingt am Ende so etwas wie Versöhnung an, wenn sich in der schwärmerischen Liebe des Jungen ein Entrinnen aus dem Katastrophen-Szenario des real existierenden Wohlstands-Deutschlands andeutet. Die Darstellung der Lebenswege in ihrer engen Verschränkung mit den sozialen und politischen Verhältnissen überzeugt durch ihre außerordentliche atmosphärische Stimmigkeit. Die starke Stilisierung und die ausgewogene Komposition aller filmischen Elemente erinnern sehr an die Filme Fassbinders. Im Gegensatz zu der in dessen Stilwillen immer spürbaren Wut und Verzweiflung vermeidet Oskar Roehler jedoch jede Krassheit, so als wolle er, indem er sich in die Vergangenheit hinein versenkt und sie ästhetisierend in diese epische Form bringt, für sich selbst Frieden machen und hoffen, dass sich diese beschwichtigende Erinnerungsarbeit auf den Zuschauer überträgt.