Plötzlich Gigolo

Kinostart: 06.11.14
VÖ-Datum: 19.03.15
2013
Filmplakat: Plötzlich Gigolo

FBW-Pressetext

Fioravante ist ein netter Kerl aus New York. Er arbeitet in einem Blumenladen und hilft seinem besten Freund Murray, als dieser seinen Buchladen auflösen muss. Und auch, als Murray eine bahnbrechende neue „Geschäftsidee“ hat, kann Fioravante nicht „Nein“ sagen. Denn Murray will Fioravante als „Mann für gewisse Stunden“ an geneigte Interessentinnen vermitteln. Und siehe da: die weibliche Kundschaft ist begeistert von dem sensiblen Mann mittleren Alters, der genau zu wissen scheint, was Frauen wollen. Als Fioravante jedoch auf die jüdische Witwe Avigal trifft, verliebt er sich in die Frau, die streng zurückgezogen nach ihren Glaubensregeln unter den wachsamen Augen der jüdischen Gemeinschaft lebt. Und sich doch nach menschlicher und männlicher Nähe sehnt. Ein Blumenhändler, der zum Gigolo mutiert? Ein Buchhändler als weiser Lebensratgeber und gleichzeitiger „Liebesagent“? Und ein Reigen charmanter und verschrobener Nebenfiguren, die sich im herbstlichen New York tummeln? Wer hier an Woody Allens Filme denkt, liegt nicht verkehrt, denn nicht nur ist John Turturros Film eine Verbeugung und Hommage an den Meister der „nervösen Romanze“, sondern Allen selbst brilliert in der zweiten Hauptrolle als philosophierender Buchhändler a.D. und nebenberuflicher Zuhälter. Die Unterhaltungen zwischen Murray und Fioravante sind gekonnt konstruierte Geplänkel, die sich eigentlich um nichts Spezielles drehen und doch viel über die Befindlichkeit der Beteiligten verraten. Den Ton einer Welt der New Yorker High Society trifft Turturro ebenso genau wie den der jüdisch orthodoxen Gemeinde in Brooklyn. Unterstützt durch einen passenden Allenesquen Soundtrack sowie einer exzellenten Ausstattung und Kameraarbeit entsteht immer die passende Stimmung zur jeweiligen Szenerie. Dass hier zwei völlig unterschiedliche Lebensbereiche aufeinandertreffen wie käufliche Liebe und strenge Glaubensregeln, unterstützt auf reizvolle Art den dramaturgischen Spannungsverlauf. So werden, neben all den amüsanten Einzelepisoden, auch brisante gesellschaftliche Fragen thematisiert. Am Ende findet die Liebe ihren Platz – doch wo und auf welche Art und Weise, soll hier nicht verraten werden. Ein leichtes, doch niemals seichtes Kinovergnügen, das nicht nur das Herz von Woody Allen-Fans erfreuen wird.

Filminfos

Gattung:Komödie; Spielfilm
Regie:John Turturro
Darsteller:John Turturro; Woody Allen; Vanessa Paradis; Liev Schreiber; Sharon Stone; Sofía Vergara; Tonya Pinkins; Jade Janise Dixon
Drehbuch:John Turturro
Kamera:Marco Pontecorvo
Schnitt:Simona Paggi
Musik:Abraham Laboriel; Bill Maxwell
Webseite:fadinggigolo-derfilm.de;
Weblinks:;
Länge:91 Minuten
Kinostart:06.11.2014
VÖ-Datum:19.03.2015
Verleih:Concorde
Produktion: Antidote Films
FSK:0
BD EAN-Nummer:4010324039965
DVD EAN-Nummer:4010324201096
DVD Extras:Audiokommentar, Entfallene Szenen, Interviews, Trailer;

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die Schließung seiner angestammten Buchhandlung mangels Kundschaft und ein Besuch bei seiner Dermatologin bringen den alternden Ladeninhaber Murray dazu, ein pikantes Geschäftsmodell aufzuziehen. Dieses wird nicht ohne seinen langjährigen Freund Fioravante funktionieren, einem wenig ambitionierten Blumenhändler. Unvermittelt konfrontiert er den jüngeren Freund mit dem Anliegen seiner wohlhabenden Hautärztin Dr. Parker: Sie und ihre attraktive Freundin sind auf der Suche nach einem adäquaten Mann für eine Ménage à trois. Fioravante ist überrascht, weil Murray dabei umstandslos an ihn gedacht hat, da er angeblich so gut mit den Frauen kann. Doch als Romantiker im Geiste fällt es ihm zunächst schwer, Geld und Sex auf einen Nenner zu bringen. Da aber auch er knapp bei Kasse ist, verdingt er sich schon bald als Murrays „Nutte“.

Das Geschäft rollt an. Bald erahnen wir den blühenden Gigolo Handel mit Murray als Zuhälter, doch unversehens gleiten wir aus der puren Komödie um käufliche Liebe in eine zart gesponnene Love-Story mit ungewöhnlichen Vorzeichen: Murray sieht in der einsamen aber streng gläubigen chassidischen Jüdin Avigal, eine junge Witwe mit sechs Kindern, eine potentielle Kundin. Unerbittlich überwacht von ihrer Community und durch deren Sittencodex sogar noch ungeküsst, gelingt es Murray dennoch, die attraktive Frau Fioravante zuzuführen. Sie weint, wenn er sie züchtig berührt, aber fortan ist zwischen ihnen eine Verbindung hergestellt, und schon bald findet sie sich in seiner Wohnung zum Abendessen wieder. Fioravante begeistert sie mit seinem köstlich koscheren Fisch und Avigal beeindruckt ihn durch gekonntes Filetieren, gespickt mit pikanten Anspielungen. Ihre wenigen Begegnungen gipfeln mit einem Kuss im Park. Zugleich sind dies die einzig emotionalen Momente im Film, was den Fokus auf diese mögliche unmögliche Liebe noch stärker betont.

Inzwischen heftet sich Nachbarschaftspolizist Dovi aus Avigals chassidischer Community misstrauisch an Murrays Fersen. Der ist nicht allein um die moralische Integrität Avigals besorgt, vielmehr treibt ihn die Eifersucht, ist er doch seit langer Zeit in die schöne Witwe verliebt, ohne je von ihr eine Ermutigung in diese Richtung zu erfahren. Was den Anschein hat, lediglich ein Hindernis auf dem unvermeidlichen Weg zur vollendeten Liebesgeschichte von Fioravante und Avigal darzustellen, nimmt am Ende eine erneute Wendung. Vorher wird Fioravante noch auf die lange geplante Ménage gerufen, doch er kann seinen Mann nicht bis zum Ende stehen. Die beiden Kundinnen erkennen darin fröhlich die Tatsache, dass er sich verliebt haben muss. Trotz ausbleibenden Vollzugs hält er im Anschuss den Umschlag mit dem vereinbarten Betrag in der Hand, wohl ein Zeichen der Ergriffenheit der beiden Damen vor dem Wunder der Liebe. Murray wird indes von einer Gruppe Chassidim gekidnappt und zu einem rabbinischen Gericht gebracht, um verhört zu werden. Avigal unterbricht das Gericht und gesteht offen die Verletzung der Gesetze der Bescheidenheit, doch nicht ohne zu betonen, wie einsam sie sich fühlte. Schließlich steht sie zu Dovi und sagt Fioravante Lebewohl.

Die beiden schienen wohl von Anfang an dazu bestimmt, kein Paar zu werden, doch John Turturro vermag es, den Zuschauer an die beteiligten Figuren zu fesseln. Schaut man genauer hin, scheint nicht nur Avigal ein Bedürfnis zu haben, für die Männer, denen sie sich nähert, in letzter Konsequenz verschlossen zu bleiben. Dies gilt schließlich auch schon vom Ansatz her für die gängigen Kundinnen von Fioravante. Nähe, ohne sich zu öffnen, diesem Schema folgt auch Fioravante selbst und er hat einschlägigen Erfolg damit. Trotz seiner Präsenz, seiner Aufmerksamkeit gegenüber den Frauen, wissen wir nie, was ihn wirklich berührt, noch, welche Knöpfe er so geschickt bei den Damen drückt, oder ob er Angst vor dem Verlust hat, als Avigal sich von ihm verabschiedet.

Ähnlich verhält es sich in der Betrachtung des chassidischen Moral-Codexes. Turturro scheint Verständnis mit absoluter Verurteilung abzuwägen. Alte-Testament-Rhetorik im selbstjustiziären Rabbiner-Gericht, und am Ende bekommt der Nachbarschafts-Polizist dennoch seine Angebetete, schließlich hat sie seiner Liebe nie widersprochen. Oder ist dies ein derber Fingerzeig auf das Gefangensein in einer sozial überwachten, streng-religiösen Community, aus dem es kein echtes Entrinnen gibt? Das alles bleibt gewissermaßen in der Schwebe.

Aber genau das macht diese zarte Tragikomödie aus. Avigal könnte mehr, wenn sie wollte. Sie will lediglich aus ihrer Einsamkeit heraus, dem gehemmt-körperlosen Dasein entrinnen, nur dazu braucht sie Fioravante. Dafür kann sie sich ein wenig in ihn vergucken, ihr altes Leben muss sie dafür nicht aufgeben. Im Gewand einer charmant-verwickelten New York Story, wo es vom Look und vom Tempo her zugeht, als befänden wir uns noch in den 70ern - nicht mal ein Computer hat hier Platz - sehen wir in Wahrheit heutigen Figuren zu, wie sie in den modernen Zeiten der (emotionalen) Risikovermeidung agieren. Ein neurotisches New York spiegelt sich hier offenkundig selbst – sei es in orthodoxen Lebenszusammenhängen oder in weltlich gut situierten.

Die Figuren sind präzise gezeichnet und werden von ihren zumeist bekannten Darstellern treffsicher mit Leben gefüllt, allen voran vom Duo John Turturro und Woody Allen. Letzterer wird mehr als nur seine Schauspielkunst beigesteuert haben. So erinnern Inhalt, Ort und Wortwitz doch frappierend an seine klassischen Filme.