Die Wand

Filmplakat: Die Wand

Kurzbeschreibung

"Die Wand" erzählt die Geschichte einer Frau, die eines Morgens in einer Berghütte aufwacht und sich von einer unüberwindbaren unsichtbaren Wand eingeschlossen findet.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm; Literaturverfilmung
Regie:Julian Roman Pölsler
Darsteller:Martina Gedeck; Karlheinz Hackl; Ulrike Beimpold; Wolfgang Maria Bauer; Hans-Michael Rehberg; Julia Gschnitzer
Drehbuch:Julian Roman Pölsler
Buchvorlage:Marlen Haushofer
Kamera:Christian Berger; Peter Zeitlinger; Helmut Pirnat
Schnitt:Ulrike Pahl
Webseite:studiocanal.de;
Länge:108 Minuten
Kinostart:11.10.2012
Verleih:Studiocanal
Produktion: Coop99 Film, Starhaus Filmproduktion; BR; Arte; ORF;
FSK:12
Förderer:FFF Bayern; FilmFonds Wien; Österreichisches Filminstitut; Deutscher Filmförderfonds

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Regisseur Julian Roman Pölsler ist von Kindesbeinen an mit dem Gebirge vertraut. Er wuchs in einem isolierten Bergbauernhof in der Steiermark auf. Diese Erfahrungen kommen dem Film zugute. Seine Lektüre des Romans „Die Wand“ von Marlen Haushofer liegt 25 Jahre zurück und in diesem Zeitraum reifte das Vorhaben der Verfilmung. Entstanden ist ein außerordentlich dichtes Werk.
Julian Roman Pölsler inszeniert das Geschehen im oberösterreichischen Salzkammergut. Die Protagonistin (Marina Gedeck) verbringt mit einem befreundeten Ehepaar und deren Hund ein Wochenende in einer abgelegenen Jagdhütte. Als das Ehepaar von einem abendlichen Ausflug in das nächstliegende Dorf nicht zurückkehrt, begibt sich die Frau ihrerseits dorthin. Doch sie muss feststellen, dass ihr Weg durch eine unsichtbare, unüberwindliche Dimension versperrt ist. Und offensichtlich, wie sie in den folgenden Tagen durch verschiedene Wanderungen erfährt, ist nicht nur dieser Weg versperrt. Die Berge und das Tal, in dem sich die Hütte befindet, sind vollkommen abgeschirmt von einem Außen, in dem das Leben erstarrt zu sein scheint. Jenseits der „Wand“ entdeckt sie ein älteres Bauernpaar vor ihrer Hütte, bewegungslos, wie versteinert, eingefroren in einen einzigen Lebensmoment. Dass sie nicht träumt, zeigt ihr ein Alptraum, in welchem sich die unüberwindliche Umgrenzung bis vor die Haustür der Jagdhütte zusammengezogen hat. Nach dem Aufwachen sind ihre Lage und deren irrationale Umfriedung unverändert.
Als Off-Text wird viel literarischer Gehalt aufgeboten. Man könnte beinahe von einem integrierten Hörbuchsegment sprechen. Die eindrucksvollen darstellerischen Leistungen von Martina Gedeck verleihen dem Film auf der Bildebene poetische Strahlkraft. Der Film rührt an interessanten Fragen, die z. B. auf eine Revision des seit der Moderne vorherrschenden Anthropozentrismus abzielen. Es heißt beispielsweise, dass ein Mensch niemals ein Tier werden könne; er stürzt am Tier vorbei in einen Abgrund. Trotzdem bleibt die Zwiesprache von Homo Sapiens mit anderen Lebewesen möglich. Die Protagonistin lernt, während sie in eine mysteriöse Situation geraten ist, den ihr verbliebenen Hund „Luchs“, den sie anfangs nicht mal zu streicheln vermochte, immer besser und tiefer zu verstehen. „Luchs“ wird ihr “Sechster Sinn“. Analog zu Robinson ist sie in einer Sonderzone von der menschlichen Gesellschaft ab- bzw. ausgeschlossen. Sie vermag nun „ohne Ehre“ zu leben und gibt sich der „Sorge um die Tiere“ hin. Allerlei Prüfungen bzw. Bewährungsproben stehen ihr bevor. Als reflektierender Mensch kann sie z. B. auf Rache verzichten und einen Fuchs verschonen. Andererseits kommt immer wieder das „blutige Geschäft der Jagd“ ins Spiel. Als Symbol für das Dilemma dient u. a. „das kleine Herz, das zu einem Eisklumpen gefror“. Um solche Topoi kreist der Bericht, den Protagonistin niederschreibt. In diesem Bericht wird mit kulturpessimistischer Zuspitzung u.a. bedauert, dass es für die Menschheit zu spät sei, weil sich die Menschen gegen den natürlichen Lauf der Dinge wehren. Liebe wäre eine vernünftige Alternative gewesen. Die Hauptfigur scheint diesen Weg zu beschreiten. Auf der Alm erlebt sie Sternstunden. Ihr Herz gehört sogar einer weißen Krähe. Der Wald schlägt quasi Wurzeln in ihrem Hirn; sie gelangt zu einem „neuen ICH“, welches „von einem großen WIR aufgesogen“ wird. Das abgesonderte ICH des eigensinnigen Lebens, das aufgeblähte Nichts des zivilisierten Menschen könnte also überwunden werden. Doch jäh bricht Unheil hinein. Am Ende bleibt die symbolträchtige weiße Krähe, die zum Menschen Zutrauen hat und sich füttern lässt.
Der Roman von Marlen Haushofer war zu ihren Lebzeiten kein Verkaufserfolg. Heute ist das Buch in 19 Sprachen übersetzt und steht auf den Bestenlisten. Es bleibt zu hoffen, dass die Romanverfilmung schneller und ebenso nachhaltig auf der Erfolgsleiter vorankommt.