Der rote Kakadu

Kinostart: 16.02.06
2005
Filmplakat: Der rote Kakadu

Kurzbeschreibung

"Asoziale Elemente" - Jugendkultur in der DDR im Frühjahr 1961, kurz vor dem Mauerbau.

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Drama
Regie:Dominik Graf
Darsteller:Jessica Schwarz; Max Riemelt; Ronald Zehrfeld
Drehbuch:Michael Klier; Karin Aström
Webseite:;
Weblinks:; ;
Länge:129 Minuten
Kinostart:16.02.2006
Verleih:X Verleih
Produktion: X Filme Creative Pool GmbH, X-Filme Creative Pool; Medienfonds GFP; Sat.1; Seven Pictures;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Dresden 1961, die Monate vor dem Mauerbau, „subversive“ Musik und eine ungewöhnliche Liebesgeschichte: Dominik Graf inszeniert in seinem sehens- und diskussionswerten Film ein jugendliches Lebensgefühl, das sich nie und nirgends einsperren lässt.

Der beschwingte, bonbon-bunte Vorspann stimmt ein auf ein leichtfüßig daherkommendes Zeitpanorama. Schnell transportiert uns die Kamera in einen Park, in dem Hunderte von Teenagern ohne Musik, aber erkennbar „westlich“ tanzen. Lastwagen fahren vor, Vopos jagen durch die Büsche, die turbulente Flucht der jungen Leute bei der Razzia reißt den Betrachter mit, nimmt ihn dramaturgisch geschickt mit hinein in eine kleine-große, gewöhnlich-ungewöhnliche Geschichte.

Der Handlungsstrang folgt dem jungen Siggi, einem in seiner Unschuld an Gottfrieds Kellers berühmte literarische Figur „Der grüne Heinrich“ erinnernden jungen Mann, der reif für seine erste große Liebe ist, aufs Innigste verkörpert von Max Riemelt. Der Zauber eben dieser Gefühle ereilt ihn in Gestalt der jungen Dichterin Luise. Jessica Schwarz gibt hier eine herausragende und zudem bezaubernde Darstellerleistung. Spannungsreich in der Schwebe gehalten werden diese zarten Bande von der Unsicherheit der Verhältnisse, aber auch von Luises Ehemann Wolle, dem Ronald Zehrfeld die physische Präsenz eines „Helden der Arbeit“ verleiht.

Viele schöne Einfälle gibt es in Dominik Grafs Zeitpanorma, auch Michael Kliers stumme Poesie als Drehbuchautor scheint öfter auf. Lange und leidenschaftlich wurden im Bewertungsausschuss dramaturgische Unebenheiten und gewisse „Hänger“ diskutiert. Siggis erste Begegnung mit Luises Gedichten, nachts beim Einbruch in das leerstehende Haus, erschien dem einen Teil der Jury als berührend schöne Sequenz, dem anderen Teil erschien die Szene unglaubwürdig, weil die beiden ausgerechnet dann auf das Thema Gedichte kommen, als sie unten im Haus einen weiteren Eindringling hören, und sie sich gegenseitig warnen: „Psst, da ist jemand!“ Gemäß Robert Musils Aphorismus „Man kann alles glauben oder alles bezweifeln“ unterschied sich auch die Bewertung der grandios gefilmten Nachtfahrt von Dresden nach Berlin auf dem Roller, die irgendwie endet, und in der nächsten Einstellung nicht mehr Thema ist.

Solcherart debattierten Logik und Poetik auch über etliche andere Szenen. Insgesamt aber hält der Film die Balance zwischen Leichtigkeit und schwierigem Stoff, zeigt politische und gefühlsmäßige Ambivalenzen, findet anrührende Bilder und gibt den hervorragenden Darstellern Raum und Präsenz, so etwa die „große Szene“ mit Siggi und Luise im Café. Die Aufbruchstimmung der damaligen Zeit und das Lebensgefühl einer Generation evoziert „Der Rote Kakadu“. Er leistet eine Geschichtsschreibung, die scheinbar einfach daherkommt. Der Film ist für heutige Jugendliche interessant und kommunizierbar, er dient dem historischen Verständnis.

Und, nebenbei, ist er eben in manchen Szenen wirklich richtig Film, großer Film, Film pur. Etwa in der Szene im Dachstuhl, als erst die Tauben flattern und dann der Lichtstrahl golden auf Gesicht und Hals von Luise fällt. Oder der Blick auf Siggis knallgelbe Schuhe und seinen schnellen Gang auf der Straße oder die Figur im Regen, sich entfernend, Zeichen werdend.