Der freie Wille

Kinostart: 24.08.06
2005
Filmplakat: Der freie Wille

FBW-Pressetext

Wie frei kann der Wille eines Getriebenen noch sein? Ein weit über den Durchschnitt hinausragender intensiver Film von großer Wahrhaftigkeit, der es niemandem recht macht und der niemanden kalt lässt. Jürgen Vogel als Triebtäter und Sabine Timoteo als junge Frau, die ihm standhält und an „das Gute“ in ihm glaubt, agieren schonungslos und berührend. Eine große Regieleistung, ein mutiger Film, der gewiss Kontroversen auslösen wird.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Drama; Kriminalfilm
Regie:Matthias Glasner
Darsteller:Sabine Timoteo; Jürgen Vogel; Manfred Zapatka; Andre Hennicke
Drehbuch:Matthias Glasner; Jürgen Vogel
Weblinks:;
Länge:164 Minuten
Kinostart:24.08.2006
Verleih:Kinowelt
Produktion: Schwarzweiß Filmproduktion GmbH, Colonia Media
FSK:16
Förderer:FFA

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Wie frei kann der Wille eines Getriebenen noch sein? Dieser
existentiellen Frage stellen sich die Autoren und Macher dieses Films in dieser verstörenden,
teilweise schwer erträglichen Charakterstudie eines Vergewaltigers, den wir dabei erleben, wie er versucht, seine Aggressivität und Angst vor Frauen zu überwinden. Sich in die Normalität wieder einfügen, vermag er nicht, zu seinem eigenen Entsetzen wird er wieder zum brutalen Täter. Um die abgrundtiefe Dimension von Theos Schuld und Verhängnis ermessen zu können, müssen die Zuschauer die Vergewaltigungen so drastisch und realistisch gezeigt bekommen. Und um zu spüren, wie mühsam, monoton und vergeblich seine Versuche sind , sich anzupassen und eine „normales`` Leben zu führen, müssen sie auch langen Sequenzen ausgesetzt sein, in denen scheinbar nichts geschieht.
Jürgen Vogel verkörpert diesen Getriebenen mit einer schockierenden Intensität und Radikalität. Von der Anfangsequenz an sieht man ihn als einen, der keine andere Wahl hat und daran leidet, sodass man ein tiefes Mitleid mit ihm empfindet, ohne dabei je die Abscheulichkeit seiner Taten aus den Augen zu verlieren. Das ist eine grandiose schauspielerische Leistung, zu Recht bei Robert DeNiros Tribeca-Festival in New York mit dem Darstellerpreis gewürdigt. Die FBW-Jury sieht dabei Sabine Timoteos Leistung als absolut ebenbürtig an. Dieser Film lebt vom vollen, mutigen und riskaten Einsatz seiner Darsteller.
Dramaturgisch überzeugend ist auch der Perspektivwechsel im letzten Drittel des Films, durch den wir einen anderen Blick auf Theo gewinnen. Eine bravourös inszenierte und gespielte Schlüsselszene ist dabei Netties Treffen im Cafe mit dem Vergewaltigungsopfer. Auch wenn nie ganz klar wird, woraus das Trauma von Nettie besteht, merkt man spätestens in der Szene bei
Kampfsporttraining, dass die beiden Hauptprotagonisten innerlich von einer ähnlichen Wut und
Hoffnungslosigkeit verzehrt werden. Und so kann Nettie ihn am Schluss verstehen, und ihm seinen freien Willen lassen, indem sie nicht versucht ihn zu retten, denn dies wäre eine Vergewaltigung mit umgekehrten Vorzeichen gewesen. Stattdessen beklagt sie seinen Tod und sein Leben in einem der Pieta nachempfundenen Schlussbild.
„Der freie Wille“ ist unbequem, aber nie sadistisch oder spekulativ. Man merkt dem Film an, wie
ernsthaft sich die Filmemacher mit dem Problem beschäftigt haben und dass viele Recherchen in das Skript eingegangen sind. Dieser Faktenhintergrund wurde in einem sicherlich anstrengenden künstlerischen Prozess so aufgehoben, dass alles in diesem Film zugleich gestaltet und absolut glaubwürdig wirkt.