Das perfekte Verbrechen

Kinostart: 17.05.07
2006
Filmplakat: Das perfekte Verbrechen

FBW-Pressetext

Das Prädikat „Besonders spannend“ verdient dieser handwerklich perfekt, wunderbar elegant und lustvoll inszeniert Gerichtsaal-Thriller. Üppige Ausstattung und überzeugende Schauspielkunst gehen hier eine Verbindung ein, die Lust macht, von der opulenten Oberfläche in die Tiefe zu schürfen und sich näher mit dem Innen- und Seelenleben der Charaktere zu beschäftigen. Das intelligente Drehbuch macht aus einem anscheinend gelösten Kriminalfall einen besonders intensiven Thriller.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Thriller; Spielfilm
Regie:Gregory Hoblit
Darsteller:Anthony Hopkins; Ryan Gosling
Drehbuch:Daniel Pyne & Glenn Gers
Weblinks:;
Länge:113 Minuten
Kinostart:17.05.2007
Verleih:Warner
Produktion: Warner Bros. Entertainment GmbH, New Line Cinema; Castle Rock Entertainment;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Handwerklich perfekt und wunderbar elegant, sehr aufwändig, mit überbordender Ausstattung und lustvoll inszeniert gehört dieser Gerichtsaal-Thriller zu den überzeugendsten seines Genres, bei dem nicht nur das „production value“ aus jedem Knopfloch spritzt, ohne jedoch übertrieben oder aufgesetzt zu wirken. Souveräne Ausstattung und überzeugende Schauspielkunst gehen hier eine Verbindung ein, die Lust macht, von der opulenten Oberfläche in die Tiefe zu schürfen und sich näher mit dem Innen- und Seelenleben der Charaktere zu beschäftigen. Das intelligente Drehbuch macht aus einem anscheinend gelösten Kriminalfall einen besonders intensiven Thriller. Nach Ansicht der FBW-Jury verdient dieser Film nicht nur das höchste Prädikat: Besonders wertvoll, sondern auch das formal leider nicht zur Verfügung stehende Prädikat: „Besonders spannend“.

„Das perfekte Verbrechen“ ist ein vorzüglicher Gerichtssaal-Thriller der anderen Art. Atemberaubende Kamerafahrten vom Hubschrauber im Hochformat auf die regennasse Straße mit Polizeiblinklichtern im Dämmerlicht zeigen an: Der Täter scheint bekannt und die Tat so offensichtlich und klar, dass mehr dahinter stecken muss als ein simpler Mord, zu dem Beweise fehlen. Intelligent ist die Konstruktion eines Verbrechens, dessen Wirbelsäule sozusagen im Gerichtssaal ausgestellt wird, bei dem sich aber erst mit der Sezierung der Tatorte und Außenschauplätze die Kriminalgeschichte zu einem stimmigen Bild zusammensetzen lässt.

Kinogerechte Außen- und Innenaufnahmen stehen im Kontrast zur Gerichtssaal-Atmosphäre, in der in merkwürdig warmes Licht getaucht der junge, karrierebezogene Staatsanwalt dem milde lächelnden Angeklagten anscheinend nichts anhaben kann. Oder täuscht er sich und uns? Das Spiegelbild des Täters in der Blutlache des Opfers bildet allzu verführerisch die Lösung des Falles ab, aber ist das alles so simpel und einfach?

Die Kinogänger erwartet eine spannend gemachte Geschichte, die gut besetzt ist, keine Sekunde langweilt und die bestens ausgestalteten Charaktere mit immer neuen Facetten konfrontiert. Anthony Hopkins wird seinem Ruf als einer der besten Charakterdarsteller gerecht. Allerdings verlangt die Zeichnung seiner Widersacher und die Beobachtung ihrer Wandlung von ihm eine gewisse Zurückhaltung. Dramaturgisch ist Anthony Hopkins in seiner Rolle als Mörder die Konstante dieser Krimikonstellation. Der besondere Reiz der Geschichte besteht in der Beobachtung der Variablen: der jungen, unverbrauchten Schauspieler-Talente wie etwa Ryan Gosling als jungem Staatsanwalt, bei denen uns die Geschichte einiges entdecken lässt.

Das klassische Thrillerelement des „Whodunit“ steht hier weniger im Vordergrund. Motor des Films ist die Häutung und Wandlung des jungen Angreifers. Der zunächst aalglatt wirkende Staatsanwalt, gerade auf dem Sprung in die Privatwirtschaft, steht gegen den kaltblütigen Konstrukteur, den erfahrenen, alten (Sich-Selbst-)Verteidiger. Dies vor dem filmisch überlegt gestalteten Hintergrund einer exzellenten Kameraführung und Bildgestaltung, ungewöhnlicher Lichtsetzung und exzellenter Dramaturgie, die bis zum Schluss das Rätsel verschlossen hält und lange nachwirkt. Die maßgeschneiderte melancholisch dunkle Musik deutet an, dass nach des Rätsels Lösung doch tiefer gegraben werden muss.


Anhang:

Zweitgutachten (Einzelgutachten eines FBW-Jurymitglieds) „Das perfekte Verbrechen“


In einer erfrischend klugen Selbstdarstellung platziert Gregory Hoblits Justiz-Thriller „Das perfekte Verbrechen“ Anthony Hopkins alias Ingenieur Ted Crawford hinter ausgetüftelten, verschlungenen Murmelbahn-Unikaten, die der Holländer Mark Bischoff zur exzellenten Filmausstattung beigesteuert hat. Crawford schaut sinnend zu, wie Stahlkugeln rollen und auch in schikanösen Kurven gerade eben noch auf den beiden Schienen ihrer Bahn bleiben, vorausgesetzt, diese Schienen sind aufs feinste zurechtgebogen. Die Szenen göttlicher Kontrolle erzählen etwas über Crawfords Wesen, Weltbild, Temperament und Selbstverständnis, aber – hier kommt die Selbsterkenntnis ins Spiel – sie zeigen den Menschen hinter einem ausgeklügelten Apparat, dessen Schlingen und Wunderlichkeiten sich als artifizielles Kunstprodukt faszinierend vor unser Auge schieben.

Man kann dem Film „Das perfekte Verbrechen“ analog zwar vorwerfen, er lenke mit der eigenen Raffinesse von den Figuren ab, aber gerechter ist wohl die Einschätzung, dass dieser Film seine Planspielhaftigkeit, seine Künstlichkeit, seinen Modellcharakter unbefangen eingesteht, weil er zu Recht einerseits auf die Faszinationskraft des Planspiels selbst vertraut wie andererseits auf die Stärke von Figuren und Schauspielern, sich hinter der vertrackten, cleveren Konstruktion deutlich bemerkbar zu machen.

Ted Crawford hat, so sagt der gesunde Menschenverstand jedem Beteiligten hier, seine Frau im gemeinsamen, höchst noblen Heim kaltblütig erschossen, weil die ihn mit einem anderen Mann, einem Polizisten, betrogen hat. Das aber muss ihm erst einmal vor Gericht bewiesen werden. In der sofort offensichtlichen Ebene hat Crawford schlichte Rache an seiner Frau genommen, in der maliziösen Anlage des Verbrechens, die sich als kalt vorausgeplanter Fallenparcours für den ehrgeizigen jungen Ankläger Willy Beachum (Ryan Gosling) entpuppt, der mit jedem forschen Vorstoß seine Karriere weiter ruiniert, nimmt er Rache an der gesamten Gesellschaft, die im Ehebruch sinnbildlich die Grenzen zum Intimbereich Crawfords überschritten hat.

Anthony Hopkins spielt hier eine Variante seines Nietzscheanischen Übermenschen aus „Das Schweigen der Lämmer“, aber die Rolle bekommt nichts Zirkus- und Popanzhaftes. „Das perfekte Verbrechen“ stellt sehr zugespitzt die Frage nach den Schwierigkeiten der Gerechtigkeits- und Wahrheitsfindung und zeigt, dass abgefeimte Intelligenz beispielsweise durchaus als Gewicht in die Wagschale der blinden Justitia geschmuggelt werden kann. Er ist im Thema also „Basic Instinct“ verwandt, in seinem Noir-Gespür für einen morsche Gerechtigkeitsapparatur und das Dunkle der Seelen „Aus Mangel an Beweisen“, in der Zugespitztheit seiner Dialoge und der morbiden Komik manchen Scheiterns den marode romantischen Detektivmärchen der Raymond-Chandler-Schule, in der kaltschnäuzigen Erfassung des Schmuddeligen großer Befreiungspläne Billy Wilders „Double Indemnity – Frau ohne Gewissen“.

Die liebevolle Ausstattung, die exzellente Fotografie, der seine Kunst des Kontrastierens und Verbergens ausspielende Schnitt arbeiten in der Darstellung der Büros, der Wohnungen, des Stadtraums konsequent von außen nach innen. Die Befindlichkeit der Figuren und der Gemeinschaft wird suggestiv in der Erfassung des Drumherums deutlich gemacht.

So unerbittlich dekonstruiert „Das perfekte Verbrechen“ die von Tausenden Krimis und Gerichtsdramen genährte Illusion unerbittlich voranschreitender Wahrheitsfindung, dass seine Wendungen gegen Ende unerwartet naiv, ja feige abschwörend wirken. Kein Zweifel, man kann deuten, hier reiße ein Film am Ende alles ein, was er aufgebaut habe, flüchte sich zurück in die falsche Konvention der Gerechtigkeit, verkaufe sein Publikum für dumm.

(Ein nicht publizierbarer Spoiler als Erläuterung: das Auftauchen der Waffe ist, wie Crawford und Staatsanwaltschaft bestens wüssten, kein Tatbeweis. Innerhalb der in-dubio-pro-reo-Logik des Films könnte damit lediglich bewiesen sein, dass sich diese Waffe zum ungefähren Zeitpunkt des Mordes am Tatort befand – über längere Zeit in Händen eines der beiden männlichen Rivalen um die Ermordete. Dass damit der Liebhaber so verdächtig wäre wie der Ehemann und immer noch kein Zeuge für Tathergang zu finden und Crawford weiterhin schweigen würde, ist nur das eine. Es gibt keine chain of evidence mehr, kein nachvollziehbares Protokoll, ob und wann das Beweisstück wo welchen Manipulationen ausgesetzt beziehungsweise frei von ihnen war, bevor es vor Gericht landete. Dass es von einem Ankläger produziert wird, dessen Fanatismus und Derangiertheit bereits zu einer restraining order geführt haben, macht es im Amerika nach dem O.J.Simpson-Beweisdebakel völlig unvorstellbar, dass eine Staatsanwaltschaft damit vor Gericht ginge. Spoiler-Ende)

Allerdings erfasst die Filmemacher dann berechtigte Furcht angesichts der eigenen Feigheit. Sie zeigen kein Walten der Gerechtigkeit, sondern begnügen sich mit der Möglichkeit einer nächsten Runde vor Gericht. Das ist dem hohen Niveau des schmerzlich amüsierten Pessimismus zuvor nicht angemessen, aber auch nicht unbedingt die Negierung alles Vorangegangenen. „Das perfekte Verbrechen“ schlingert, um im Bild der Murmelbahn zu bleiben, in den letzten Kurven unschön. Die Kugel wird dann von der Bahn genommen, bevor sie vorm Ziel gar noch herunter plumpsen kann. Dem raffinierten, schaurigen und schönen Lauf der Kugel zuvor, und dem Entwurf einer überzeugenden Kunstwelt, in der sich die unsere spiegelt, kann man trotzdem höchsten (und höchst vergnügten) Respekt zollen.

Votum von Thomas Klingenmaier: Besonders wertvoll