Allein in vier Wänden

Kinostart: 26.11.09
2007
Filmplakat: Allein in vier Wänden

FBW-Pressetext

Sorgsam und ruhig gearbeitet ist dieser dokumentarische Blick in eine Strafanstalt für Jugendliche im Ural. Nüchtern, nah und ohne jeden Voyeurismus schildert der Film den Alltag in der Anstalt, lässt schreckliche Schicksale und komplizierte Charaktere lebendig werden. Draußen wartet eine grausame, harte Welt auf diese Jugendlichen. Draußen werden sie wieder ums Überleben kämpfen müssen.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Alexandra Westmeier
Drehbuch:Alexandra Westmeier
Kamera:Inigo Westmeier
Schnitt:Alexandra Westmeier
Webseite:lingeron.com;
Länge:85 Minuten
Kinostart:26.11.2009
Verleih:Barnsteiner
Produktion: Linger On Filmproduction, Westmeier, Inigo & Alexandra
FSK:12
Förderer:Hessische Filmförderung

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

In ihrem Dokumentarfilm begleiten wir Alexandra Westmeier in eine Strafanstalt
für Jugendliche in Tscheljabinski im Ural, in der 120 Kinder und Jugendliche Strafen zwischen zwei und drei Jahren verbüßen. Die Strafen wurden für Delikte wie Diebstahl, Gewalttätigkeiten und sogar Mord verhängt. Wir begegnen der Jugendkriminalität von Kindern und Jugendlichen, die in einem Milieu von Arbeits- und Obdachlosen, Alkoholikern und Menschen am Rande der russischen Gesellschaft aufwachsen müssen.

Alexandra Westmeier berichtet nüchtern und nah vom Alltag der Jugendlichen in der Anstalt, lässt ihnen breiten Raum, aus ihrem Leben zu erzählen, von ihren Nöten in der Anstalt, von ihrem Alleinsein und der steten Hoffnung, dass ihre Eltern sie nicht gänzlich aufgegeben und vergessen haben. Sie wissen, dass es ihnen bei allem Drill, bei allen Einordnungszwängen, in aller inneren Verlassenheit in der Anstalt besser als zuhause geht. Sie haben ausreichend zu essen, sind ordentlich gekleidet, werden unterrichtet, haben Sport und Freizeitangebote. Draußen ging es ihnen deutlich schlechter, davon berichten sie alle. Draußen wird es ihnen wieder schlechter gehen, das wissen sie. Draußen müssen sie wieder ums Überleben kämpfen.

Alexandra Westmeier beobachtet genau den Tagesablauf, die Rituale hinter den Gefängnistoren, lässt das Anstaltspersonal nahezu vollständig unbefragt, und konzentriert sich auf die Kinder, die Jugendlichen. Sie filmt ihr stockendes Erzählen, sie lässt sie zur Sprache kommen, sie filmt ihre Tränen, ohne ihnen auf voyeuristische Weise mit der Kamera zu nahe zu kommen.

Aber sie filmt auch die Außenwelt, spricht mit Eltern, mit Vätern und Müttern, zeigt uns junge Erwachsene, die den Anschluss an die Gesellschaft suchen, zeigt aber auch im letzten Drittel des Films die Seite der Opfer, zeigt eine Mutter, deren Sohn erschlagen wurde. Sie zeigt, wie feindlich die Welt ist, die auf die jugendlichen Straftäter nach der Verbüßung ihrer Straftaten wartet.

Der Film ist sorgsam gearbeitet, handwerklich fast konventionell gestaltet, folgt der Bewegung des Anstaltsalltags mit bewegter Kamera – Betten machen, Frühsport, Waschen, Putzen, Küchenarbeiten, Sport in der Freizeit –, hält aber die Kamera bewusst in der Halbtotale, wenn die Kinder und Jugendlichen zu Wort kommen. Es gibt keine Kameraaufgeregtheiten, keine „interessanten“ Einstellungen.

Der Zuschauer hat Zeit und Ruhe, den Gesichtern zu folgen, in ihren Biografien zu lesen, so stark oft die durchaus sympathischen Gesichter mit den begangenen Taten zu kontrastieren scheinen. Die Außenaufnahmen geben das ganze Bild: eine Stadt, ein Leben auf dem Lande, das alle Ödnis, alle Abweisung verrät.

Aus anderen Dokumentarfilmen weiß der Betrachter, dass es durchaus auch andere Jugendhaftanstalten in Russland gibt. Das Thema von Alexandra Westmeier ist aber wohl, den Kontrast von Drinnen und Draußen zu zeigen und damit, was eine Gesellschaft den Kindern und Jugendlichen immer noch schuldig bleibt, wenn sie den Weg zurück in die Gesellschaft suchen.